Rezension "Die Flechten Mitteleuropas"

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Kraichgauer
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Rezension "Die Flechten Mitteleuropas"

Beitrag von Kraichgauer »

Volkmar Wirth / Ulrich Kirschbaum
"Die Flechten Mitteleuropas". Bestimmung und Beschreibung der wichtigsten Arten.
3., erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, 2024, ISBN 978-3-494-01970-3, 432 S., 500 Abb., 34,95 €

In neuer, erweiterter Auflage und mit neuem Titel (früher "Flechten einfach bestimmen") kommt nun der "Wirth - Kirschbaum" heraus, sozusagen der Feldführer zum großen zweibändigen Wirth / Hauck / Schulz ("Die Flechten Deutschlands").
Insgesamt sind 430 Arten enthalten, wobei es zu jeder enthaltenen Art ein großformatiges Photo gibt - manchmal sind in einem Kapitel auch zwei bis drei ähnliche Arten enthalten, aber alle abgebildet. An den Kurzbeschreibungen und Photos ist nichts zu kritisieren, wie auch? Schließlich ist Volkmar Wirth seit langen Jahren "die" Koryphäe für die deutschen Flechten. Die lateinischen Namen sind auf dem neuesten Stand, ähnlich wie bei der Flora Germanica, aber ohne Synonyme und ohne Autorzitate, wobei man letztere hätte sicherlich auf der eigentlichen Seite ergänzen können, um die (Nach-)Recherche einfacher zu gestalten. Statt dessen stehen die wichtigsten Synonyme in einem Kurzregister im Anhang.

Am Anfang steht eine 20seitige, kurze und knappe Einleitung über den Bau der Flechten, ihre Ökologie, ihren Nutzen (für den Menschen keiner...) und ihre wichtigsten Merkmalstypen, sowie die Fachbegriffe und die Bestimmungsmethoden.

In der Hauptkapiteln (jeweils ca. 30-50 Arten) werden die Flechtenarten nach ihren 11 wichtigsten Lebensräumen (z. B. "Auf Bäumen im Bergwald" oder "auf Felsen, Blöcken und Steinen aus Silikatgestein") eingeteilt, und am Anfang jedes Lebensraums steht ein knapper Schlüssel.
Das ist gleichzeitig die Stärke des Feldführers - man findet die häufigsten Arten einfach durch Definition ihres Lebensraums und anschließendes Durchblättern recht zuverlässig. Und die meisten Flechtenarten sind recht gut (aber nicht immer!) in ihre Lebensräume einzuteilen.
Aber auch die größte Schwäche, denn durch diese Lebensraum-Einteilung werden die Gattungen und Verwandtschaftsgruppen oft über viele Kapitel verstreut. Dadurch ist es sehr schwierig, wenn man sich einmal eine Gattung oder Gattungsgruppe gemerkt hat (z. B. "sieht aus wie Caloplaca") diese zu finden - denn man muss in mehreren Kapiteln nachsuchen. Für die vertiefende Beschäftigung mit den Gruppen und Verwandtschaften ist so eine Einteilung weniger geeignet. Aber die Entscheidung muss bei einem Feldführer getroffen werden, und beide Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile.

Und natürlich muss - wie z. B. auch bei den Pilzen - eine Bestimmung immer nur vorläufig bleiben, wenn man nur eine Auswahl vor sich hat. Aber die Alternative wären dicke, mehrbändige und vom Inhalt her oft schwer zugängliche Monographien.

Zusammenfassend ein Buch mit den folgenden Vorteilen:
- als Feldführer geeignet
- leicht zugänglich und für die "schnelle Ansprache"
- erschwinglich

Und mit unvermeidlichen Nachteilen:
- nicht vollständig
- Verwandte Gruppen sind "zerteilt" in viele Kapitel
- für die vertiefende Beschäftigung und [einigermaßen] sichere Bestimmung braucht man den 2bändigen, wesentlich teureren und als Feldführer ungeeigneten Wirth / Hauck / Schulz.
Letzteres wird aber für den Großteil der Naturinteressierten nicht so wichtig sein.

Deshalb in Summe eine Empfehlung, um sich einmal in die Gruppe "einzugucken". In den 80er und 90er Jahren gab es zahllose "knappe" Naturführer für die verschiedensten Gruppen, und nicht nur ich habe die "Naturkunde" mit einem Bücherregal voll von ihnen begonnen. Fast alle sind vom Markt verschwunden, und Quelle & Meyer hält als ein Verlag von sehr wenigen diese Tradition noch hoch. Schon deswegen gebührt ihnen ein Lob.

12.12.2023 Michael H.
JarJar
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Re: Rezension "Die Flechten Mitteleuropas"

Beitrag von JarJar »

Hallo Michael,

vielen Dank für diese ausführliche Rezesion! Ich habe bisher nur die beiden Bände "Die Flechten Baden-Würtembergs" vom Ulmer-Verlag zu Hause stehen. Ebenfalls ein Wirth-Werk. Vor ein paar Jahren durfte ich einmal mit ihm auf Exkursion. Ein tolles Erlebnis.
Der Flechten-Nachwuchs steht mit Rasmus Kray inzwischen aber schon parat :-) Der Junge ist richtig gut!

LG Christoph
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