Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

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Immergrün
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Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Immergrün »

Hallo,
Es gibt natürlich die Bezeichnung archäophyt und neophyt um gewisse Zeiträume zu Markieren

Diese sind jedoch recht diffus und ungenau und es macht ja schon einen Unterschied wenn eine Pflanze seit 300 Jahren statt 50 Jahren eingebürgert hat.

Gibt es da irgendeine Seite ?
Kraichgauer
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Re: Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Kraichgauer »

Meistens ist das ziemlich spekulativ. Im Rothmaler sind oft Jahreszahlen angegeben.
Das größere Problem ist aber, dass der Erstfund oft adventiv ist und wieder verschwindet. Daher sagt so eine Zahl nicht allzuviel. Das viel Interessantere wäre, ab wann eine Art tatsächlich etabliert ist, aber das ist noch viel schwieriger zu belegen. Außerdem ist die Definition, was eine Etablierung im Freiland ist, ebenfalls ziemlich fluktuierend.

Gruß Michael
Immergrün
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Re: Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Immergrün »

Ok interessant gut zu wissen ! Es wäre also theoretisch denkbar das mancher Neophyt auch ein Archäophyt ist, aber nicht in alten Überlieferungen und Fossilfunden belegt ist ?

Wenn eine Pflanze ausgestorben ist in einer Region und in einer anderen Region überdauert hat und dann 1000 Jahre Später wieder ansiedelt, würde man es als Neophyt behandeln ?

Das mit der Etablierung/Einbürgerung ist sicherlich auch spannend, ich habe das Ökysystem bisher als dynmaisches System begriffen in welchem es immer mal wieder Fließgleichgewichte gibt
Kraichgauer
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Re: Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Kraichgauer »

Immergrün hat geschrieben: Mo Aug 26, 2024 4:13 pm Ok interessant gut zu wissen ! Es wäre also theoretisch denkbar das mancher Neophyt auch ein Archäophyt ist, aber nicht in alten Überlieferungen und Fossilfunden belegt ist ?
Na klar. So ein Fall könnte z. B. Sisymbrium loeselii sein. Da hat mir Sigurd Fröhner mal erzählt, dass er einen mehrere 100 Jahre alten Fund aus Dresden gesehen hatte, der zwar nicht als "Prä-1492" qualifiziert, aber den Verdacht nahelegt, dass die Art schon länger hier ist. Das ändert aber nichts daran, dass S. loeselii sich in den allermeisten Gebieten wie ein typischer Neophyt verhält.

Die Einwanderungsgeschichte von vielen Acker- und Ruderalpflanzen vom Mittelmeer ausgehend nach Norden über die letzten 2000 Jahre dürfte nicht kontinuierlich sein, sondern die Arten sind wohl oft vielfach eingeschleppt worden, bevor sie schließlich Fuß fassen konnten.

Gruß Michael
Kraichgauer
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Re: Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Kraichgauer »

Immergrün hat geschrieben: Mo Aug 26, 2024 4:13 pm Wenn eine Pflanze ausgestorben ist in einer Region und in einer anderen Region überdauert hat und dann 1000 Jahre Später wieder ansiedelt, würde man es als Neophyt behandeln ?
Nein, jedenfalls solange die neu eingewanderten / zurückgekommenen Populationen genetisch und morphologisch weitgehend identisch sind. Das kann ein großes Problem mit den Roten Listen geben.

Bei den Käfern gibt es ein schönes Beispiel: der - übrigens außerordentlich hübsche - Prachtkäfer Palmar festiva, der an Cupressaceae lebt, war zwar nicht ausgestorben, aber bis auf wenige kleine Populationen auf der Schwäbischen Alb (an Wacholder) verschwunden. Er wurde als stark gefährdet (A 2) eingestuft. https://www.agnus-bruchsal.com/aktuelle ... a5b7512c47
Jetzt ist aber in den letzten Jahren eine südliche Population der gleichen Art über die Rheinschiene plötzlich auf dem Weg nach Norden, etabliert sich überall in den Gärten und bringt die Chamaecyparis zuverlässig um. Morphologisch und genetisch die gleiche Art. Das bringt einige Widersprüche beim Naturschutz mit sich: muss man jetzt die heimischen Schwäbische-Alb-Populationen herabstufen, die weiterhin höchst gefährdet bleiben? Oder sollte man die in Gärten schädlichen Rheinebene-Tiere als "A 2" einstufen, und man dürfte sie nicht bekämpfen? Beides ist eigentlich widersinnig.

Bei den Pflanzen ist Conium maculatum ein Beispiel: der Schierling stand bisher überall auf den Roten Listen und galt als schützenswert. Jetzt breitet sich aber entlang der Autobahnen eine morphologisch ununterscheidbare Population rasant aus, die man nach Fug und Recht ebenfalls als Conium maculatum bezeichnen muss. Auch hier gilt: sind die Populationen an naturnahen Standorten deswegen weniger schützenswert?

Wie man in den Karten von floraweb.de sehen kann, gibt es zahlreiche Pflanzenarten, die lokal als Archäophyt gelten, anderswo als Neophyt oder verwilderte Gartenpflanzen. Paradebeispiel ist Galanthus nivalis, das Schneeglöckchen. Dieses ist aber gleichzeitig auch ein Beispiel für seit langem kultivierte Zierpflanzen (Burgen- oder Stinsenpflanzen), bei denen die Unterscheidung Archäophyt-Neophyt heikel werden kann. Siehe auch Doronicum pardalianches, Fritillaria meleagris oder Vinca minor.

Gruß Michael
Immergrün
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Re: Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Immergrün »

Hallo vielen dank für die interessanten Beispiele !

Das ist ja teilweise wirklich absurd, woran könnte es liegen, das morphologisch identische Arten eine bessere oder schlechtere Vitalität aufweisen ?

Können die Reliktpopulationen möglicherweise genetisch verarmt sein und daher in ihrer Fitness eingebüßt haben ?


Beim Blasenstrauch Colutea Arboresenc lese ich oft das er als Neophyt oder als eingebürgert gehandelt wird, Flora Web sagt wiederum:
Floristischer Status: I: einheimisch
nun ist mir klar das dies nur für einen kleinen Teil Süd-West-Deutschlands gilt. Und in anderen Teilen des Landes gilt er dann als Neophyt ? Wobei er ja dort vermutlich dann hier und da mal als Zierpflanze verwendet worden ist. Selbiges gilt dann wohl auch für Scabiosa ochroleuca welche ja eher im kontinetal geprägten Osten Deutschlands vorkommt.

Aber je nach dem wie eng man das Raster zieht, könnte man dann ja auch auf sehr lokaler Ebene von Neophyten sprechen, Bspw wenn ich jetzt hier vor Ort bin ich Teil des Süderberglandes oder noch übergeordneter des rheinischen Schiefergebirges.

Mal als Beispiel hier vor Ort kommt Salvia Pratensis nicht vor im Süderbergland und Rheinischen Schiefergerbirge aber schon. Er wird aber häufig in Straßenbegleitgrün Mischungen verwendet, ist das dann nur "Florenverfälschung" oder könnte man dann auf lokaler Ebene von einem Neophyten sprechen ?
Kraichgauer
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Re: Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Kraichgauer »

Solche Beispiele von durch Anpflanzung verbreiteten Arten (wie oben bei Salvia pratensis und Colutea zitiert) gibt es zuhauf. Ich erinnere nur an die "nicht regionalisierten" Begrünungsmischungen entlang von Straßen und Wegen und die dadurch verursachten Florenverfälschungen (Centaurea jacea agg., Anthyllis vulneraria u. v. a.).
Die Verbreitungskarten auf floraweb.de unterscheiden in ihrer Symbolik ja auch zwischen den tatsächlich einheimischen Populationen und den in neuer Zeit verbreiteten. Nur ist leider diese Unterscheidung sehr fließend und auch nicht in allen Fällen bekannt. Welche Bezeichnung man für die "neuen" Populationen verwendet, kann man sich aussuchen, es sind jedenfalls neophytische Populationen.
Das Phänomen ist aber nicht neu, ich sage nur Galanthus nivalis und die "heimischen" Flussauenpopulationen versus die Siedlungspopulationen.

Man darf aber nicht den Fehler machen, das Ganze zu kleinräumig zu betrachten, sonst wird es absurd. Fast unsere gesamte Flora hat sich im Zuge menschlicher Aktivitäten seit der Steinzeit ausgebreitet bzw. ist verschwunden.

Gruß Michael
Immergrün
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Re: Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Immergrün »

Ja das wollte ich damit aufzeigen je klein teiliger man es betrachtet desto absurder wird es.

Man könnte es auch bspw auch so übertreiben, das man hingeht und sich nur Flächen in Grundstücksgröße betrachtet dann sind fast alle Pflanzen „neophytisch“.

Ich denke es ergibt Sinn sich entsprechende Großräume zu betrachten und dann mehr oder weniger noch in Makro und Mikro Lebensräume zu unterscheiden. Dann hinzunehmen das die Verbreitung der Arten an und für sich dynamisch ist, aber manche Arten Nachteile haben durch den Menschen. Durch Straßenbau, Begradigung von Flüssen und generell abgetrennten Lebensräumen haben manche Arten es schwer woanders Fuß zu fassen.
Arten die über Vögel oder als Schirmflieger verbreiten haben es da einfacher.
Sollte man Arten helfen die durch menschlichen Einfluss weniger kompetitiv sind ?
Bei manchen Arten wie Colutea würde ich es auch als plausibel annehmen, dass diese Art sich durch den Klima Wandel Nord-Westlich etwas weiter verbreitet, wobei natürlich durch die Stickstoffeinträge in der Landschaft die Art eher gebremst wird.
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Re: Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Manfrid »

Immergrün hat geschrieben: Mo Okt 07, 2024 11:10 amje klein teiliger man es betrachtet desto absurder wird es.
Kommt halt immer auf die Fragestellung an; auf das, was einen gerade interessiert. Ebenso ist es in zeitlicher Hinsicht. Gleiches Problem wie in der Pflanzensoziologie.
Immergrün hat geschrieben: Mo Okt 07, 2024 11:10 amSollte man Arten helfen die durch menschlichen Einfluss weniger kompetitiv sind ?
Kommt halt drauf an, ob man sie haben will. Fragt man engagierte Artenschützer, dann werden sie sich immer gerne auf das "absolut Richtige" berufen. Aber das gibt es nicht.
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Anagallis
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Re: Wo kann ich schauen seit wann ein Neophyt in De ist ?

Beitrag von Anagallis »

Manfrid hat geschrieben: Mo Okt 07, 2024 6:29 pm Fragt man engagierte Artenschützer, dann werden sie sich immer gerne auf das "absolut Richtige" berufen. Aber das gibt es nicht.
Das ist eben eine einfach zu formulierende Position.

Im Elsaß gibt es diesen Skihang, auf dem alle europäischen Flachbärlappe und ihre Hybriden wachsen. Um diese Vorkommen zu sichern, wurde der Skibetrieb eingestellt und ein Naturschutzgebiet daraus gemacht. Das Ende vom Lied ist, daß der Bestand dort drastisch eingebrochen ist, weil das Heidekraut die Fläche überwuchert: Es wird nicht mehr von den Skifahrerinnen reduziert.
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