Pflanzendaten woher nehmen?

Gallen, Vögel, Insekten, Biologie usw.
ChriBo
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Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von ChriBo »

Hallo Leute,

ich möchte mir zu den einzelnen Pflanzen sowas wie ein Datenblatt erstellen.

Zu den meisten Werten finden sich genug Infos im Netz oder in Büchern, mir fehlen aber noch Angaben oder Listen zu Weideverträglichkeit und Mahdverträglichkeit der Pflanzenarten.

Auch brauche ich bei den jeweiligen Pflanzen die Anzahl der Insekten, gerne nach Gruppe, z.B Wildbienen, Falter auch Anzahl der Raupen.
Das die Insekten-Arten einzeln genannt werden, wäre schön, ist aber nicht zwingend.

Einen guten Start findet man bei NaturaDB, was dort aber leider überhaupt nicht steht, sind die Anzahl der Arten bei den Neophyten. Und genau die (nicht invasiven) wären mir wichtig, damit eine Grundaussage über ihren ökologischen Wert gemacht werden könnte.
Ich brauche das, vor allem um Menschen bei Führungen zeigen zu können, ob und was für einen Wert diese Pflanzen für ein Ökosystem besitzen könnten.

Kann mir jemand Tipps geben, Internetseiten oder Bücher….
Grüße
Christian

„Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand“ – Charles Darwin
Kraichgauer
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Re: Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von Kraichgauer »

Tja, das mit den daran lebenden Insekten ist halt leider nirgends zusammenfassend zu finden. Da musst Du die entsprechenden entomologischen Werke bei den einzelnen Gruppen wälzen. Und dann wird es schon deswegen gleich problematisch, weil die Entomologen meistens Probleme mit dem exakten Pflanzenbestimmen haben (und umgekehrt). Die Futterpflanzen und Lebenszyklen vieler Insekten sind nur unzureichend bekannt, und in den seltensten Fällen sind sie monophag. Meistens wussten die "Altvorderen" im 19. Jahrhundert mehr über die Insekten-Pflanzen-Beziehungen als die heutigen Forscher. Zum Beispiel habe ich für die Rüsselkäfer das Meiste aus den älteren Werken von Dieckmann herausziehen können.

Nur ein paar Beispiele hierzu: weil viele Schmetterlingsraupen (v. a. Spinner und Bären) in Gefangenschaft mit Löwenzahn ernährt werden können (bzw. diesen zur Not fressen), gilt "Löwenzahn" als Futterpflanze zahlloser Arten, selbst wenn die Arten in freier Wildbahn nie auf den Gedanken kommen würden, Löwenzahn zu fressen.
Viele Dickkopfarten (Hesperiidae) leben angeblich an "Gräsern", aber an welchem Gras genau, das war meist unbekannt, bis für die "Schmetterlinge Baden-Württembergs" das mal genauer erforscht wurde. Welcher Entomologe kann schon Gräser bestimmen? (Die meisten Botaniker auch nicht.)
Die Tatsache, dass man an Möhren (Daucus) in Gärten auch mal eine Schwalbenschwanz-Larve findet, macht diese nicht zur Hauptfutterpflanze, das ist bei uns nämlich Silaum silaus.
Ganz zu schweigen von den Fällen mit Wirtswechseln, bei denen die Larven von was ganz Anderem leben wie die Imagines.

Viele in der Literatur vorhandene Angaben sind zweifelhaft (die meisten?) und müssten genauer überprüft werden.

Also: Du wirst das nur mit vieler Mühe und im Einzelfall mit Sicherheit herausfinden können, aber nicht pauschal. Zur Vermeidung von weiteren Gerüchten würde ich mich mit wenigen, gut dokumentierten und leicht ansprechbaren Fällen begnügen, die man auf Exkursionen auch vorführen kann (z. B. Andrena florea, die nur an Zaunrübe Pollen sammelt, oder Andrena hattorfiana an Knautia arvensis, oder Rophites auf Stachys recta).
Wenn Du es aber trotzdem versuchen willst, nimm die "schwarzen Ulmer-Bände" der Flora und Fauna Baden-Württembergs als Datenquelle, denn Du kommst ja aus BW, und in diesen Bänden ist sehr vieles Bekannte recht zuverlässig dokumentiert. (Außerdem die Blattkäfer und Rüsselkäfer Baden-Württembergs, und die Wildbienen Deutschlands von Westrich.)

Dann kommt übrigens auch noch das Problem hinzu, dass nicht nur die Pflanzenart selber als Wirt entscheidend ist, sondern der Standort, der Erhaltungszustand und das Mikroklima. Eine Segelfalterraupe lebt nicht auf jeder Schlehe, sondern nur an krüppeligen, vorgeschädigten Schlehen auf sonnigen Felshängen, die nicht mehr genug Abwehrstoffe bilden können. Viele Eichenfresser bei den Schmetterlingen mögen halbtote, krüppelige Eichenbüsche und nicht etwa die gut im Saft stehenden Bäume.

Gruß Michael
ChriBo
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Re: Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von ChriBo »

Hallo Michael,

ich danke dir für deine ausführliche Antwort. Ich habe jetzt schon einiges gelernt…

Ich muss leider immer wieder feststellen, dass wir inzwischen eine ganze Menge über den Mond wissen, aber von den Ökosystemen auf dieser Erde nicht wirklich eine Ahnung haben. Vermutlich weil die wohl nicht interessant genug sind und kein Geld dafür ausgegeben wird.

Schade eigentlich, wie wollen wir die Systeme erhalten ohne die Zusammenhänge zu verstehen….

Eine weitere Frage war, ob es Listen zu Weideverträglichkeit und Mahdverträglichkeit der Pflanzenarten gibt. Kann mir da jemand eine Info geben.
Grüße
Christian

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Immergrün
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Re: Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von Immergrün »

Spannend mit dem Löwenzahn, das ist ja klassicher Bias bei der Datenerhebung. Wusste ich garnicht.

Den Schwalbenschwanz habe ich auch häufiger schon außerhalb von Gärten auf Dauca gesehen, sicherlich nicht seine erste Wahl, aber scheint im Zweifel auf eine Reihe von Doldenblütlern zu gehen. In Gärten häufig an Fenchel. Ich glaube in Frankreich kann man den Segelfalter mittlerweile auch schon an größeren Prunus auch an Kulturarten festellen, es scheint das die Wärmemenge generell sehr wichtig ist für die Art. Bei Kümmerwuchs an Fels hat man nachts gute Wärmeabstrahlung, sodass die die Wärmemenge über den Ganzen Tag recht hoch ist. Das scheint neben herabgesetzer Abwehrstoffproduktion für die Art recht wichtig zu sein.
Soweit ich weiß sind in DE Amelanchier ovalis und Prunus Mahaleb relativ zu ihrer Häufigkeit wesentlich beliebter beim Segelfalter, als Spinosa, welche aber deutlich stärker verbreitet ist. Aber das könnte auch daran liegen das die Standorte in denen ovalis und Mahaleb vorkommen auch dem benötoigten Habitat des Segelfalters sehr nahe kommen.

Neben Fehlbestimmungen, wird man auch an häufig vorkommenden Arten mit breiter ökologischer Amplitude mehr Arten festellen. Und seltenere Arten wird man vermutlich auch schneller falsch kartieren.

Wenn eine Art in den Alpen und Flachland des Nordens vorkommt und dann noch häufig ist, das man gewisse Arten damit assoziert und die Pflanze in unterschiedlichen Mikroklimaten vorkommend ist.

Dadurch kann die Anzahl der Tier Arten sehr hoch werden, obwohl manche der Tiere bspw. nur in Alpen vorkommen. Sie also reel dann je nach Standort vllt garnicht so bedeutend sein muss. Andererseits ist es plausibel wenn eine Art eine breite ökologische Amplitude hat und häufig vorkommend ist, das sich entsprechend auch viele Arten auf sie spezialisieren.

Ich persönlich würde also nach Pausibiliät schauen. Einerseits die Gattung der Pflanzen Lamiacae und Asteracae wird für eine Reihe von Bienen spannend sein. Neopyhten aus Frankreich, Italien werden dann vermutlich ähnlich ökologisch wertvoll sein. Ich denke auch das bspw ein Pontechium maculatum der noch in Össtereich vorkommt auch von der Natternkopf Mauer Biene zum Pollen sammeln verwendet wird.

Je weiter die Ursprungsvorkommen der Neophyten entfernt sind desto eher kommt es zu einem mismatch zwischen der heimischen Fauna. Bspw Pflanzen die auf Vögel als Bestäuber setzen wie den Kolibri haben evolutiv andere Mechanismen entwickelt. Soweit ich weiß gibt es bspw eine tropische Pflanze Dipladenie dessen Mechanismus hilft das die Kolibris sich etwas fixieren können für das Taubenschwänzchen kann dieser Mechanismus zu einer tödlichen Falle werden.

Pauschal gilt das aber nicht für alle tropischen Pflanzen, aber die Wahrscheinlichkeit steigt das mancher Blütenaufbau ähnelt aber der Bestäubungsmechanismus inkompatibel ist mit den hier lebenden Tieren.

Es kommt also drauf an. Bedenken sollte man auch das alle Lebensformen die nicht so stark im Fokus stehen wie Mikroorganismen, Pilze etc auch von Pflanzen proftieren könnten, die nicht von großer Bedeutung für bspw Säuger, Vögel, Bienen, Schmetterlinge sind.
Gänseblümchen
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Re: Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von Gänseblümchen »

Vielleicht interessant
"Raupen und Schmetterlinge Europas und ihre Futterpflanzen", Paul Parey.
Gibts jetzt wieder.
Kraichgauer
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Re: Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von Kraichgauer »

Gänseblümchen hat geschrieben: Sa Feb 15, 2025 4:41 pm "Raupen und Schmetterlinge Europas und ihre Futterpflanzen", Paul Parey.
Gibts jetzt wieder.
Genau das ist eines der Werke, in denen viel historischer abgeschriebener Mist steht. Die Parey-Führer sind alle irgendwie Sixties, waren damals das Beste, was es gab, sind aber mittlerweile oft überholt.
Schade, dass es den "Bergmann" noch nicht als pdf gibt (ist aus den 50er Jahren).
Sorry, Michael
Kraichgauer
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Re: Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von Kraichgauer »

Immergrün hat geschrieben: Fr Feb 14, 2025 2:12 pm Den Schwalbenschwanz .... In Gärten häufig an Fenchel.
Nicht nur in Gärten. Seit der Fenchel hier im Südwesten (ursprünglich als Gründüngung) überall verwildert, hat er sich tatsächlich zu einer bevorzugten Futterpflanze des Schwalbenschwanzes entwickelt.

Gruß Michael
Manfrid
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Re: Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von Manfrid »

Am Mittelmeer, wo der Fenchel herkommt, liebt der Schwalbenschwanz ihn auch besonders. Aber Pastinake z. B. nimmt er ebenfalls.
Svampskogen
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Re: Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von Svampskogen »

In Schweden sind die Raupen des Schwalbenschanzes besonders häufig an Peucedanum palustre zu sehen!
Kraichgauer
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Re: Pflanzendaten woher nehmen?

Beitrag von Kraichgauer »

ChriBo hat geschrieben: Mi Feb 05, 2025 6:03 pm Ich muss leider immer wieder feststellen, dass wir inzwischen eine ganze Menge über den Mond wissen, aber von den Ökosystemen auf dieser Erde nicht wirklich eine Ahnung haben. Vermutlich weil die wohl nicht interessant genug sind und kein Geld dafür ausgegeben wird.
Das stimmt nicht. Das allermeiste, was die Ökologie von Tieren und Pflanzen angeht, war bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert bekannt, und mittlerweile ist die alte Literatur auch viel besser als früher zugänglich (über zobodat, BHL oder JSTOR etc.). Das Problem ist vielmehr, dass viel damaliges Wissen wieder vergessen wurde, weil sich niemand mehr dafür interessiert (hat). Und insbesondere bei den Entomologen sind die allermeisten Experten entweder schon tot oder sehr alt geworden. Es ist also für viele Gruppen fast niemand mehr da, der sich wirklich auskennt. Das kann durch das aggregierte Schwarm-Halbwissen z. B. in iNat nicht ersetzt werden.
Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass es immer weniger Freude macht, sich um Feldbiologie zu kümmern, entweder weil die Sammelhindernisse fast unausräumbar geworden sind (und ohne Sammeln geht es vor allem bei Insekten nicht) oder weil es kaum noch Biotope gibt, wo man die Arten bestaunen kann. Immerhin sind die Schmetterlinge um zwei Drittel zurückgegangen, und in der Fläche 90 %. Die Vögel übrigens auch.

Gruß Michael
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