Na, es wäre doch überraschend, wenn man tatsächlich in Mitteleuropa eine echt neue Art finden würde, die sich morphologisch erheblich unterscheidet und nicht schon längst wenigstens als Unterart oder Varietät gelistet worden wäre? Nach 300 Jahren Botanik und "Kartierung jeder Ritze" wäre das wohl zuviel verlangt.
Für Fälle, bei denen man tatsächlich im Gelände eine spektakuläre, vollständig neue Art gefunden hat, muss man schon zu den Insekten und bis in die hinterste Türkei gehen - Euapatura mirza aus den 1970er Jahren ist so ein Fall
https://www.zobodat.at/pdf/NEVA_5_0007-0017.pdf.
Oder man geht zu den etwas kleineren Arten:
https://www.zobodat.at/pdf/Mitt-Ent-Ver ... 5-0006.pdf. Letzteres könnte aber auch eine eingeschleppte Art gewesen sein.
Festuca pulveridolomiana gehört in das ovina agg., das ist auch eine "apomiktische Gruselgruppe". Da hat übrigens Boeuf unlängst gleich mehrere Arten neu für die Vogesen beschrieben, und auch in Deutschland fallen mehrere weitere in den Zeitraum nach 2000.
Stellaria ruderalis ist eine kryptische, weitgehend zytologisch begründete Art. So was kommt öfters mal vor.
Von den vielen "Bomble- und Loos-Arten", die auf rein morphologischer Basis ohne Genetik oder Zytologie beschrieben wurden, hat es bisher noch keine geschafft, wirklich anerkannt zu werden. Gleiches gilt für die zahlreichen Hochstufungen durch Landolt.
Mehr fündig wird man bei unerwarteten Vorkommen weitab vom sonstigen Verbreitungsgebiet. Mir fallen da so ein:
Carex glacialis in den Alpen
https://botges.ch/file/con/113/1_18_BAU ... llerat.pdf
Oder das hier
https://www.zobodat.at/pdf/Kochia_12_0083-0098.pdf
In Spanien ist die Chance größer. Da hat man erst vor wenigen Jahren eine komplett neue Gattung aus der Linaria-Gruppe im Süden entdeckt (Gadoria falukei,
https://www.almerinatura.com/joyas/hall ... doria.html), und im Nordwesten 2014 und 2016 zwei neue Doldenblütler, ebenfalls in einer neuen Gattung (Rivasmartinezia cazorlana und R. vazquezii). Das müssten die letzten beiden Blütenpflanzen-Gattungen in Europa gewesen sein, die wirklich neu im Gelände gefunden wurden und nicht künstlich durch Neueinteilung bestehender Gattungen geschaffen wurden.
Auch in den Südwestalpen gab es mehrere neue und sehr überraschende Entdeckungen, das war aber m.W. 1989 (Vicia cusnae).
Das Heraustrennen kryptischer Arten aus einem Komplex ist vielversprechender, z. B. in Orobanche gleich mehrfach: Orobanche beauverdii (2021), O. lycoctoni, O. staehelinae...
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt... Ein guter, anscheinend noch namenloser Kandidat ist der "bestachelte Stachys palustris" von Flussufern an der Elbe. Auch nach Jahrzehnten des Suchens hat sich hier noch kein Name ergeben. Siehe Bildatlas S. 1233. Das könnte wirklich was Neues sein.
Gruß Michael