Der "Straßenrand-Schierling" (Conium maculatum var.?)

Zeigt hier eure Pflanzenbilder, zu denen keine Bestimmung mehr benötigt wird
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Kraichgauer
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Der "Straßenrand-Schierling" (Conium maculatum var.?)

Beitrag von Kraichgauer »

Sicher ist Euch schon aufgefallen, dass sich der heimische Schierling (Conium maculatum) in den letzten Jahren explosionsartig an Straßenrändern, auf Autobahnmittelstreifen und auf Lärmschutzwällen ausbreitet. Die Art scheint von Westen zu kommen, und ich habe sie z. B. in Belgien überall an den Autobahnen gesehen. Aber auch im Osten wie MV und SN sieht man sie mittlerweile überall.
Die Populationen verhalten sich komplett anders wie die als heimisch geltende Sippe, die eine seltene Art feuchter Hochstaudenfluren und Gewässerränder bleibt. Der "Straßenrand-Schierling" ist genügsam, schadstofftolerant und sogar auf den trockensten Autobahnmittelstreifen zu finden. Er kann gut und gern 3 m hoch werden.
Der Verdacht liegt daher nahe, dass es etwas Neues ist, aber auch genauere Betrachtungen lassen keine auffälligen morphologischen Unterschiede zu typischem Schierling erkennen - außer der exorbitanten Größe. Es dürfte daher nur eine "Ökovarietät" sein, Genaueres wird wohl nur mit Genetik herauszufinden sein.

Im Alzeyer Hügelland hat die Art bereits die Straßenränder vollständig erobert, die von einer "weißen Mauer" gesäumt sind. Sie geht dort auch in Brachland und stillgelegte Äcker. Photos von Gundersheim, 9.6.2023.

Sollte jemand eine Idee haben, was das sein könnte und ob es was Anderes ist, bitte melden.

Gruß Michael
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botanix
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Re: Der "Straßenrand-Schierling" (Conium maculatum var.?)

Beitrag von botanix »

Hallo Michael,
die letzten Jahre hatte ich schon den Eindruck, das der Schierling an der A45 im Dilltal wieder etwas abnimmt. An den Landstraßen konnte ich ihn dort gelegentlich finden, zweimal sogar im Acker, Mais und Getreide, mittendrin! Auch andere Stellen.
Andererseits breitet sich auch Anthriscus caucalis seit ca. 10 Jahren aus, schwerpunktmäßig in Raps- und Getreideäckern, aber auch ruderal und geht jetzt wieder in den Acker benachbarte Gebüschsäume, sein eigentliches Habitat.
Schierling und Hundskerbel sind zweijährig, im Acker?
Die Forma integrifolia des Kompasslattichs: auf einmal ist sie überall zu finden, natürlich auch an der Autobahn. Ist es das erhöhte Stickstoffangebot in der Landschaft und besonders an der Autobahn? Ich glaube diese Arten haben eine für sie neue Nische entdeckt und versuchen jetzt das Areal auszufüllen. Ganz ähnlich wie Ende der Achtziger Jahre, als Cochlearia danica den Sprung von der Küste an die Autobahn geschafft hatte und nun im Sauseschritt durch die Länder eilte.
Stickstoff war früher Mangelware und stand Conium nur an den Flussufern und Misthaufen ausreichend zur Verfügung, jetzt gibt es neue Angebote! Die Pflanzen können im Herbst keimen und dank der vielen Nährstoffe und längeren Vegetationszeiten (Klimawandel, milde Winter) auch reichlich Reserven fürs Blühen sammeln. Bevor es im Sommer zu heiss und trocken wird, haben sie gefruchtet und sterben ab.
Conium schöpft die Möglichkeiten seiner ökologischen Amplitude aus. Ich denke daher nicht, auch bei Anthriscus caucalis, dass hier eine unbekannte Sippe einwandert. Vielleicht ist nur vorhandenes genetisches Potential neu selektiert worden, ein permanenter Prozess zur Anpassung an geänderte Verhältnisse.

Gruß
Peter
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hegau
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Re: Der "Straßenrand-Schierling" (Conium maculatum var.?)

Beitrag von hegau »

In den Weinbergen am Hohentwiel (Singen, BW) standen nach der Neuterrassierung vor ca. 15 Jahren auch mehrere Jahre lang solche große auffällige Schierlinge, die vorher nicht vorhanden waren. Inzwischen ist die Art dort aber wohl wieder vollständig (?) verschwunden, während das damals ebenfalls neu aufgekommene Thlaspi alliaceum immer noch in sehr reichen Beständen vorhanden ist.

Gruß Thomas
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