Nochmals die Trespe - wie variabel?

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Andreas Melzer
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Nochmals die Trespe - wie variabel?

Beitrag von Andreas Melzer »

Hallo zusammen,
im offenkundigen Sommerloch darf ich nochmals ein bekanntes Thema aufgreifen? Ich habe das hier eingestellt, obwohl die Bestimmung noch wackeln könnte (ich kenne mich schließlich). Es geht wieder um Bromus secalinus & Co.; davon kenne ich inzwichen drei Vorkommen im nahen Umkreis. Das neueste stammt aus der Ecke um Delitzsch/Nordwest-Sachsen.
Das Populatiönchen bestand aus 8-10 Pflanzen auf 2-3 qm. So sah das aus:
brom sec brodau 0607.JPG
brom sec brodau 0607.JPG (91.38 KiB) 698 mal betrachtet
Im konspirativen Laufschritt bin ich durch den Weizen geeilt, griff ein paar Pflanzen und bin retour ohne Nahfotos zu machen. Man weiß ja nie, ob der ansässige Landwirt auch Jäger ist. Die Früchte sind nahezu identisch: Im Querschnitt ein breites V, mal mit deutlichem Kiel, mal ohne. Auch die zentrale Furche ist verschieden ausgeprägt.
frucht sec brodau 0607 b.JPG
frucht sec brodau 0607 b.JPG (25.3 KiB) 698 mal betrachtet
frucht sec brodau 0607 f.JPG
frucht sec brodau 0607 f.JPG (34.21 KiB) 698 mal betrachtet
Aber es gibt keine dramatischen Unterschiede. Es sollte also Bromus secalinus sein.
Mit der zuerst entdeckten Population (ich berichtete), habe ich mich nochmals befasst. Die Früchte sehen wie nachstehend aus. Die Ziffern bedeuten: Herbar-Nr./Expl.-Nr. Außerdem habe ich noch stichprobenartig eine Schachtel unsortierter Krümel durchgesehen (Box). Hier finde ich keine gewaltigen Differenzen. Sämtliche Pflanzen waren älter, die Spelzen braun, die Früchte hart.
schenk reif.JPG
schenk reif.JPG (154.85 KiB) 698 mal betrachtet
Anders sieht das aus, wenn die Pflanzen noch in der Entwicklung sind, also z. B. die Spelzen noch grün sind, so etwa:
vs 214 1.JPG
vs 214 1.JPG (50.99 KiB) 698 mal betrachtet
Dann präsentieren sich die Früchte so:
schenk unreif.JPG
schenk unreif.JPG (65.87 KiB) 698 mal betrachtet
Alles ist noch weich und verformbar; entweder drückt man beim Schneiden die Frucht platt oder faltet sie zusammen. Ich denke, man erkennt jedoch ansatzweise, wohin die Reise geht.
Beim dritten Vorkommen, Nähe Eilenburg/Sa., fand ich Ähnliches. Hier ein Beispiel an einem einzigen Ährchen:
zschepp.JPG
zschepp.JPG (102.08 KiB) 698 mal betrachtet
Durchgängig erwiesen sich die Fruchtflanken (die Enden recht und links) "knorrig", was ich so deutlich nirgends fand, aber auch nicht für einen Grund ansehe, gleich ein separates Taxon zu gründen. Mir liegen noch keine vollreifen Früchte vor, aber ich ahne schon was...
Nicht unerwähnt soll sein, dass die Blattscheiden stets behaart sind. Die von secalinus sollen völlig oder fast kahl sein. Keine Ahnung, ob man als Maß Haare pro qmm ansetzen sollte, um alles genauer zu quantifizieren. Jedenfalls kann man nicht von kahlen Blattscheiden sprechen, nur weil man die Behaarung schlecht sieht. Variabel sind auch die Vorspelzen und die Anhängsel der Früchte. Hier tatsächliche
Unterschiede auszumachen, ist eine Quälerei.
Auch mit der Kontur der Deckspelzen habe ich meine Sorgen. Die unteren 2/3 rollen sich gerne ein, während der Rest entfaltet bleibt (wirken die Nerven stabilisierend wie bei Sickenblech?). Und schon hat man einen stumpfen Winkel.
decksp sec brodau c.JPG
decksp sec brodau c.JPG (32.82 KiB) 698 mal betrachtet
Außerdem wird bei solchem Eingerolle irgendwann die Rachis zwangsläufig sichtbar. Sicherlich ist das abhängig von Reifezustand, Wassergehalt, Austrocknungstempo etc. und das auch vom Standort, Wetter etc. Gewiss greifen die Faktoren ineinander über und heraus kommt mehr Variabilität als man erst mal denkt.
Nun, vielleicht ist das alles nur mein wöchentliches Hirngespinst...
Beste Grüße,
Andreas
OG_1
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Re: Nochmals die Trespe - wie variabel?

Beitrag von OG_1 »

Hallo Andreas,
ich fürchte, so kommt man nicht weiter. Auf Äckern treten oftmals mehrere Bromus-Sippen auf und man kann nicht mit einem Merkmal (Fruchtquerschnitt) versuchen, alles zu bestimmen. In solchen Gruppen, die noch in der Evolution befindlich sind, ist die Zuordnung oft schwierig. Dies gelingt nur - halbwegs - über die Kombination der bestimmungswichtigen Merkmale. Also: Behaarung der unteren Blattscheiden, Ährchenmerkmale, Blütenmerkmale (Vorspelze, Deckspelze) und Fruchtmerkmale - und dies alles pro Pflanze dokumentiert! Dann gibt es eine Bestimmungsbasis. Leichter wäre es mit vollständigen Herbarbelegen, die all das zeigen. Unerfreulicherweise glauben aber einige, man könnte mit einigen Fotos alles klären - dies ist in machen Artengruppen, nicht nur bei den Poaceen, aber aussichtslos.

Mit besten Grüßen
Uwe
Andreas Melzer
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Re: Nochmals die Trespe - wie variabel?

Beitrag von Andreas Melzer »

Hallo Uwe,
herzlichen Dank für deine Meldung zur Sache.
Alles sehr verquast, ist mein Eindruck. Ich habe jetzt den Fruchtquerschnitt in den Fokus gerückt, weil das Thema nun nicht grade von hochgradigem allgemeinen Interesse ist, aber die Früchte noch halbwegs "greifbar" sind.
Tatsächlich habe ich, mit meinen begrenzten Mitteln und Fertigkeiten, alle Belege pflanzenweise durchgearbeitet. So richtig schlau bin ich nicht geworden. Alle Merkmale variieren in sich schon mal, oft von Pflanze zu Pflanze und natürlich von einer Population zur anderen. Ich habe zunächst kapituliert, herauszufinden, ob und wie die Merkmale miteinander korreliert sind. Manchmal dachte ich, gegen Windmühlen zu kämpfen. Die nächste Runde verschiebe ich in den Winter. Vielleicht sollte ich warten, bis die Evolution abgechlossen ist; schön wär's).
Wie vertrackt die Angelegenheit ist, illustriert auch, unter welchen Namen manche Kollektionen formieren:
tree bromus.jpg
tree bromus.jpg (55.96 KiB) 642 mal betrachtet
(OM... = Nasiri et al., deren Studie großartig ist, finde ich als staunender Laie)
Beste Grüße,
Andreas
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botanix
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Re: Nochmals die Trespe - wie variabel?

Beitrag von botanix »

Hallo Andreas,

"schöne" Grafik, aber:
einfach so ins Forum gestellt ohne jegliche Erklärung sagt sie mir nichts. Weder wissen wir, wer, wann und wo da Pflanzen gesammelt wurden, noch wer sie nach welchen Schlüsseln bestimmt hat oder sequenziert oder was auch immer hat. Wenn ssp. decipiens nicht erwähnt wird, bleibt die Frage, was hier unter B. commutatus verstanden wird. Auch die anderen Arten haben Subspecies. Alles rätselhaft. Unterm Strich für mich also erstmal wertlos.
Dein Literaturhinweis oder was das sein soll "OM... = Nasiri et al." ist kryptisch.

Bromus secalinus und B. commutatus ssp. decipiens stehen in Mittelhessen öfters zusammen (durcheinander!) in einem Acker. Wenn du die Unterschiede nicht erkennst, was bringen uns die isoliert gezeigten Kornquerschnitte? Eine Pflanze betrachten und in allen Merkmalen mit einer anderen Pflanze vergleichen. Meine im anderen Thread gezeigte Gegenüberstellung sollte dir helfen die zwei Sippen zu erkennen. Den Reifezustand beachten, zerfällt das reife Ährchen leicht (decipiens) oder nicht, Blattscheiden behaart oder nicht, Spelzenlängen. Aber bitte alles für jede Pflanze getrennt dokumentieren, so wie Uwe es schon angemahnt hat.
Außer den beiden Sippen können auch B. commutatus s.str., B. arvensis, B. hordeaceus und andere seltene Sippen prinzipiell überall verschleppt auftauchen.

Gruß
Peter
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Andreas Melzer
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Re: Nochmals die Trespe - wie variabel?

Beitrag von Andreas Melzer »

Hallo Peter,
nochmals danke! Ich versichere, dass ich mich durch die Merkmale jeder einzelnen Pflanze (deren Herkunft ich genau notierte) gewurstelt habe. Zum Zerfall der Ährchen kann ich nicht viel sagen, da braucht's es sicher mehr Erfahrung und Gefühl. Aber am Rest bin ich tatsächlich fast verzweifelt, weil zu flexibel und überlappend, und natürlich sehr fitzelig. Die Früchte fand ich auch optisch schön, drum nehmen die etwas mehr Raum ein. Bisher glaubte ich übrigens, dicke Früchte mit U oder V im Querschnitt gehören in den Umkreis von secalinus. Ich lege die Sache, wie erwähnt, erst mal auf Eis, bis sich die Nerven regeneriert haben und neues Material verfügbar ist.
Der Baum war eine spontane Idee beim Schreiben, sorry. Das sind alles öffentlich hinterlegte Datensätze aus der Genbank, und unter den Accession-Nummern sind sämtliche Infos lesbar. Nasiri et al. haben die Anzahl der Daten bei Bromus stark erhöht (siehe die vielen OM...). Zum Zeitpunkt der Hinterlegung war die Studie noch nicht erschienen, dann: NASIRI, A., KAZEMPOUR-OSALOO, S., HAMZEHEE, B., BULL, R. D. & SAARELA, J. M. (2022): A phylogenetic analysis of Bromus (Poaceae: Pooideae: Bromeae) based on nuclear ribosomal and plastid data,
with a focus on Bromus sect. Bromus. PeerJ 10:e13884. DOI: 10.7717/peerj.13884
Meine Brechstangen-Berechnung ist um Himmelswillen kein phylogenetischer Baum, aber man sieht grob, dass ähnliche Arten gerne vermischt werden (also nicht nur von mir...). Die hier verwendete Region (ITS) sagt allein nicht viel aus, aber sooo durcheinander sollte es nicht gehen, zumal die Namen ja nicht am Stammtisch ausgewürfelt werden, sondern Fachleute am Werk sind. Ob die Bestimmungen später, also im gedruckten Text, korrigiert wurden, habe ich jetzt nicht geprüft. Das ginge zu weit.
Nochmals Dank an alle, die im Thema unterwegs waren.
Beste Grüße,
Andreas
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