Chenopodium schulzeanum Murr

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Jochen
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Chenopodium schulzeanum Murr

Beitrag von Jochen »

Liebe Pflanzenfreunde!

2020 hatte ich auf einer Ruderalfläche bei Rottweil, BaWü, einen Gänsefuß photographiert, der von Dr. Wörz als Chenopodium murale bestimmt worden ist. Jetzt hat ein Freund, der an der Bestimmung zweifelte, meine Photos an Rolf Wisskirchen (Uni Bonn) geschickt, der die Pflanze als Chenopodium schulzeanum bestimmt hat, einem Hybrid von Ch. glaucum x Ch. rubrum. Außer einem Eintrag bei worldflora.org, daß es ein akzeptierter Name ist, habe ich nichts gefunden. Weiß jemand mehr darüber?

Mit Dank im Voraus
Jochen
Zuletzt geändert von Jochen am Mo Sep 25, 2023 5:26 pm, insgesamt 1-mal geändert.
Kraichgauer
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Re: Chenopodium schulzeanum Murr

Beitrag von Kraichgauer »

Also erstens meinst Du wohl worldfloraonline.org. Die andere URL gibt es nicht.

Zweitens ist der Hybrid sehr wohl in den relevanten Datenbanken gelistet. Auszug aus WorldPlants (in POWO steht er auch):

Oxybasis ×schulzeana (Murray) Mosyakin; Phytoneuron 2013-56: 5 (2013)
Distribution: Czech Republic; European Russia; etc.
11 CZE 14 RUS
Remarks: O. glauca x O. rubra
Synonyms:
= Blitum ×schulzeanum (Murr) Mosyakin; Ukrayins´k. Bot. Zhurn. 69: 395 (2012)
= Chenopodium ×schulzeanum Murr; Allg. Bot. Z. Syst. 12: 110 (1906)

Die Buttler-Liste (die noch Chenopodium s. l. benutzt) führt ihn als:
Chenopodium glaucum × rubrum − X / BWx THx
= Chenopodium ×schulzeanum Murr 1906: 110, 112

Also ist er auch in BW und TH schon gefunden worden. Hatte ich beim Übertragen wohl übersehen.

Gruß Michael
Jochen
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Re: Chenopodium schulzeanum Murr

Beitrag von Jochen »

Danke für die Angaben. Warum finde ich ihn nicht bei "Blumen in Schwaben"?

Jochen
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botanix
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Re: Chenopodium schulzeanum Murr

Beitrag von botanix »

Hallo Jochen,

warum findet man in einer Foto-Bestimmungsflora wie Blumen in Schwaben eine Sippe nicht?
Gegenfrage: Macht es Sinn seltene Hybriden in einen Schlüssel einzuarbeiten?
Nein, das macht nur bei wenigen häufiger auftretenden Sippen Sinn. Weil sonst immer weniger Trennmerkmale übrig bleiben, die dann auch noch einen größeren Überlappungsbereich haben. Die Schlüssel würden völlig unbrauchbar, die "Bestimmungsergebnisse" sehr zweifelhaft. So wird es auch im Rothmaler gehandhabt, die Hybriden sind nur als Hybridkombinationen am Ende des Schlüssels aufgeführt.

Bei Verdachtsfällen auf kritische Sippen, ob Art oder Hybride, ist eine saubere Dokumentation als Beleg und / oder Fotoserie (wenn man weis welche Details wichtig sind) nötig. Selbst dann können Experten irren.
Der Experte bei Chenopodium s.l. ist Rolf Wisskirchen, nicht Wißmann.
Auf https://offene-naturfuehrer.de findest du einen Chenopodium-Bestimmungsschlüssel von ihm. Die Hybride wird auch dort (wie alle Hybriden) nicht behandelt.

Abgesehen vom Sinn: Wenn Thomas keine sicher bestimmten Fotos von seltenen Sippen bekommt, kann er sie nicht einarbeiten. Wird so ein Fund veröffentlicht, ist die Wahrscheinlichkeit ein, zwei Jahre später die Hybride zweier Einjähriger nochmal zu finden sehr gering. Erkennen muss man sie obendrein! Wer hat soviel Zeit und Geld solchen Sippen nachzujagen?

Gruß
Peter
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Anagallis
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Re: Chenopodium schulzeanum Murr

Beitrag von Anagallis »

botanix hat geschrieben: Mo Sep 25, 2023 8:18 amBei Verdachtsfällen auf kritische Sippen, ob Art oder Hybride, ist eine saubere Dokumentation als Beleg und / oder Fotoserie (wenn man weis welche Details wichtig sind) nötig. Selbst dann können Experten irren.
Aus Erfahrung auch in Kommunikation mit dem Naturkundemuseum in Stuttgart (BW-Kartierung) möchte ich ergänzen, daß eine Fotodokumentation für kritische Sippen und Hybriden wenig geeignet ist: Zum einen fehlen darauf _immer_ wichtige Merkmale für eine spätere Revision. Zum anderen kann man davon ausgehen, daß digitale Bilder in fünfzig oder hundert Jahren nicht mehr lesbar sind, weil es die passenden Geräte und Formate nicht mehr gibt oder weil sich niemand um ein hinreichendes Backupsystem gekümmert hat. Während Herbarbelege aus dem 18. Jahrhundert heute noch brauchbar sind, wenn sie pfleglich behandelt wurden, muß man bei digitalen Belegen davon ausgehen, daß sie keine solche lange Zeit überstehen.
Dominik
Jochen
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Re: Chenopodium schulzeanum Murr

Beitrag von Jochen »

Ich möchte mich bei allen für diese interessanten Überlegungen bedanken.

Tippfehler u.a. habe ich korrigiert.
Jochen
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Anagallis
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Re: Chenopodium schulzeanum Murr

Beitrag von Anagallis »

Man muß auch im Kopf behalten, daß Hybriden zu beschreiben ungeheuer aufwendig ist. Diese muß man zuerst nachzüchten, d. h. artenrein bestäuben, und hat dann auch nur ein paar Pflanzen bestimmter Merkmalsausprägung. Hybriden sind allgemein viel variabler als die Elternarten, weil die Zusammensetzung des Erbguts stärker variieren kann. Deswegen steht bei Hybridbeschreibungen oft nur "vermittelt zwischen den Eltern", d. h. kann das ganze Spektrum der Merkmale zwischen den Eltern abdecken und manchmal auch ununterscheidbar von einem Elternteil sein. Berüchtigt sind dafür beispielsweise Veilchen, insbesondere das Trio riviniana, (x) bavarica, reichenbachiana über das wir uns im Forum schon trefflich gestritten haben und keine Einigung über die morphologischen Grenzen von bavarica und den reinen Arten erreichen konnten. Die drei Sippen werden mehr oder weniger nach persönlichem Geschmack kartiert.
Dominik
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