Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

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abeja
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Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

Beitrag von abeja »

Hallo,
letzte Woche habe ich auf dem Hörnli-Friedhof (Riehen/Basel) mal nach Pilzen geschaut - es gibt da einige naturnahe Ecken. Viel war immer noch nicht los bis auf ein paar Kleinigkeiten und mehrere Stellen mit Suillus viscidus, dem Grauen Lärchenröhrling - in alten Altersstufen ... den kenne ich aber schon gut.

Auf einer der vielen Betonmauern (das Gelände in Hanglage oben ist stufenförmig gestaltet) befanden sich neben unzählig vielen Mauerflechten (Lecanora muralis) und weiteren eher unauffälligen Flechten nur 2 Thalli einer Krustenflechte (ca. 3-4 cm Durchmesser). Es stachen vor allem die orange-bräunlichen Apothecien ins Auge, der Randbereich war nicht besonders "ausgestaltet".
Diese Flechte kenne ich garantiert noch nicht.
Ich komme auf Gyalolechia flavovirescens (ehemals Caloplaca flavovirescens), bin aber absolut nicht sicher.
Das Habitat würde sehr gut passen, farblich eigentlich auch alles - allerdings wirkt die Flechte auf vielen Fotos sehr unterschiedlich. Hier ist sie sehr feucht. Mit Chemie habe ich nichts getestet - und auch den Randbereich leider nicht separat fotografiert, wg. Thallus/ Prothallus usw.

Kann man sie nur mit diesen Fotos mit einiger Sicherheit benennen?

Zum Vergleich:
http://www.irishlichens.ie/pages-lichen/l-258.html
https://italic.units.it/index.php?proce ... e&num=1049

cf Gyalolechia flavovirescens_11-2023.jpg
cf Gyalolechia flavovirescens_11-2023.jpg (669.95 KiB) 6394 mal betrachtet
cf Gyalolechia flavovirescens Detail_11-2023.jpg
cf Gyalolechia flavovirescens Detail_11-2023.jpg (445.12 KiB) 6394 mal betrachtet
Viele Grüße von abeja
Flechtenmikroskopie

Re: Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

Beitrag von Flechtenmikroskopie »

Wenn Apothecium mit K rot wird, ist es schon einmal eine Caloplaca.

Ohne Chemie und Sporen unter dem Mikroskop, keine Möglichkeit zu sagen, was das ist.
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abeja
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Re: Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

Beitrag von abeja »

Danke, hatte ich mir schon gedacht!
Normalerweise habe ich kein KOH in der Tasche, zumindest das könnt ich ja einführen... :geek:
Mir erschien die Farbgebung und weitere formale Aspekte deutlich anders als bei mir bisher bekannten Caloplaca s.l.-Arten, sodass ich auf eine makroskopische Einschätzung gehofft hatte von jemandem mit viel Erfahrung auf dem Gebiet.
Die "anvisierte" Art soll ja nicht selten sein und typischerweise auf solchen Untergründen vorkommen.
Viele Grüße von abeja
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abeja
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Re: Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

Beitrag von abeja »

Inzwischen (Anfang März) war ich ungeplant nochmal auf diesem Friedhof. Da habe ich diese Flechte (in mehrfacher Ausführung) wieder gesehen, in trockenem Zustand.
Auffällig: immer fast kreisrunde Thalli! .
Wieder hatte ich keine Chemie dabei, habe aber ein paar Apothecien (vermutlich mit "Thallus-Anhaftungen") abgekratzt und mitgenommen.

Mit etwas KOH darauf konnte ich überhaupt keine Veränderung sehen, erst einmal. Dann habe ein Stück quasi in KOH "gebadet" (auf einem Objektträger), da hat sich die Flüssigkeit rosa-violett verfärbt, relativ schwach. Ich vermute, das darf man als positiv (für Caloplaca s.l.) interpretieren?
Sehe aber gerade in Italics (anders als oben vorgeschlagen): wie übl. wird der Thallus testet, die Apo. haben hier wenig Aussagekraft):
Spot tests: thallus K+ purple-red, C-, KC-, P-; apothecia C+ purple (reaction often poorly evident)

Diese Flechte, die ich inzwischen mehrfach gesehen habe (auch auf so einem vorgefertigtem Betoneinfassungsstein für Vorgärten) hat für mich in typischer Ausprägung einen sehr hohen Wiedererkennungswert und scheint nicht besonders selten zu sein. Da die Neufunde relativ nahe sind, werde ich da mal mit Chemie vor Ort den Thallus testen.

Nochmals Bilder vom Hörnli-Friedhof
Mauerflechte-a_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg
Mauerflechte-a_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg (537.74 KiB) 943 mal betrachtet
Mauerflechte-b_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg
Mauerflechte-b_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg (577.42 KiB) 943 mal betrachtet
Mauerflechte-c_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg
Mauerflechte-c_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg (452.84 KiB) 943 mal betrachtet
Mauerflechte-d_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg
Mauerflechte-d_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg (521.29 KiB) 943 mal betrachtet
Mauerflechte-e_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg
Mauerflechte-e_ cf. Gyalolechia flavovirescens_03-2025.jpg (665.09 KiB) 943 mal betrachtet
Viele Grüße von abeja
Botanica
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Re: Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

Beitrag von Botanica »

Hallo abeja,

erst einmal füge ich das Zitat hier als Kopie ein, damit alle Informationen in dem Beitrag vorhanden sind und man nicht suchen muss.

ich zitiere ein paar wesentliche Passagen aus dem Buch Wirth/Kirschbaum : Die Flechten Mitteleuropas, S. 205:

"es gibt zahlreiche , zum Teil schwer zu unterscheidende Arten innerhalb der "alten" Großgattung Caloplaca, auch auf anthropogenen Substraten.
Gyalolechia flavovirescens gehört zu den selteneren Flechten ist aber eine der besser zu erkennende Art.
Typisch ist der dreifarbige Aspekt: Das Lager ist meist blassgelb bis graugelb gefärbt, der Lagerrand der Apothecien oft intensiver gelb, ohne Orangeton, die Apothecienscheiben kräftig orange, orangebraun bis braunorange, der Eigenrand oft etwas heller.

Die Art zeieht schwach kalkhaltige Gesteine vor. Sowohl kalkfreie als auch kalkreiche Substrate werden gemieden.

Xanthocarpia crenulata hat rein gelbe berandete Apothecien, das Lager ist gelb aber meist undeutlich.

Zitatende


Als ich die Bilder dieser auffallend schönen Flechte zum ersten mal gesehen habe, war mein erster Eindruck : Flavoplaca oasis zusammen mit einer weiteren Flechte mit gelbem Lager. Insbesondere das Bild 3 zeigt Apothecien mit ausschließlich orangen Rand, bestenfalls etwas heller orange.
Dagegen soll der Lagerrand der Apothecien bei Gyalolecgia flavovirescens oft intensiver gelb, ohne Orangeton, gefärbt sein.

Daher meine Vermutung, dass sas gelbe Lager ggf. zu einer anderen Flechte gehört (Candelariella aurella?).
Die beiden Arten kommen nach Wirth/Kirschbaum öfter zusammen vor. Außerdem erkenne ich kleinere gelbeApothecien, deren Inneres eingesenkt erscheint. Auch das scheint mir zu Candelariella aurella zu passen.

Das würde auch erklären, dass Du diese Flechte schon mehrfach gefunden hast.

Wie gesagt, nur eine Vermutung, mein Erfahrungsschatz ist ja sehr begrenzt.

Viele Grüße

Harry
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Re: Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

Beitrag von Botanica »

Hallo abeja,

ich hab noch mal versucht ein bisschen zu recherchieren.

Was hälst Du von Protoblastenia rupestris?

Viele Grüße

Harry
Cogito, ergo sum
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abeja
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Re: Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

Beitrag von abeja »

Hallo Harry,
deine Ideen schaue ich mir später noch gründlicher an, aber auf Anhieb: nee ...
Ich bin ja auch relativ überzeugt von meiner bisherigen Einordnung, habe auch sehr viele Bilder dazu gesehen, die zu meinen Auffindungen in keinem Widerspruch stehen (...was kein Beweis ist).
Heute denke ich daran, KOH mitzunehmen. Damit wird dann geklärt, ob das Lager zu Caloplaca s.l. gehört.
Viele Grüße von abeja
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abeja
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Re: Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

Beitrag von abeja »

Hallo,
inzwischen habe ich Flechten quasi vor der Haustür getestet - sie sehen exakt so aus, wie die vom Hörnlifriedhof und wachsen auf "in Ruhe gealterten" Betonformteilen ....

Zum Teil zeigt das Mäuerchen nach Osten (vollsonnig bis Mittag), da sind die Farben etwas "freudiger", zum Teil nach Norden, da etwas blasser.
Mein KOH ist leider etwas zu stark (40 Proz.) oder zu schwach (3 Proz.) - in der Wohnung mische ich bei Tests das starke KOH etwas mit Wasser, aber hier habe ich versuchsweise beide Lösungen pur verwendet (mit dem Spatel aufgetragen, ist auch etwas viel - man könnte auch mit Zahnstocker tupfen ... wenn man daran denkt, sowas einzustecken).

Mit dem zu starken KOH sofort Thallus und Apothecien sehr dunkel-rotbraun, mit Papier gewischt: rotbraun.
Mit dem schwachen KOH auch eine sofortige Reaktion auf Thallus und Apo. aber in einem schöneren, klareren Rot.

Caloplaca s.l. steht damit für mich fest und ich bleibe bei meiner Einschätzung Gyalolechia flavovirescens.

@Botanica/ Harry :
ich habe mir zu deinen beiden Vorschlägen auch noch etwas überlegt. Ich finde, man muss einerseits möglichst kleine Details beachten, an unterschiedlichen Stellen der Flechte, aber auch das Gesamtbild/ den Habitus sowie den Wuchsort.
Wie du oben aus dem Buch zitiertest:
"Gyalolechia flavovirescens gehört zu den selteneren Flechten ist aber eine der besser zu erkennende Art."

Ich bin nicht sicher, ob sie wirklich selten ist - bei den Franzosen und Iren und Italienern steht das nicht so, vielleicht kommt sie da häufiger vor und bei uns seltener, aber ich wohne ja an der Grenze zu Frankreich und der Schweiz.
Möglicherweise kommt sie hier bei uns vor allem auf diesen seltsamen Betonformteilen vor ..., die stehen ja nicht überall.

https://www.irishlichens.ie/pages-lichen/l-258.html
Large greenish-yellow to orange angular-areolate thallus surrounded by pale prothallus. Frequent brownish-orange apothecia with paler margins. spores 15-20 x 5-10 µm with a wide septum. Often occurs as isolated specimens. K+ crimson / purple.
Saxicolous, usually on man-made substrates and calcareous rocks. Also frequent on sea-shores and on acidic rocks affected by more basic downwash.
https://www.lichensmaritimes.org/?task= ... 88&lang=en
Apothecia numerous, distributed all over thallus surface, up to the prothallus, 0.5-1 mm diam., disc plane, soon later convex, more or less dark orange, brown-orange when dry, bright orange when moist, exciple conspicuous, paler....All parts K+ purple. Distributed from xeric supralittoral zone to aerohaline zone and even inland, in principle on calcareous rocks, but in our prospecting area rather frequent on siliceous stones of walls, maritime or inland buildings, provided that cement is subjected to leaching; also frequent on flat surfaces at the top of walls and on bridges parapets (and then the thallus mostly is grey-brown due to dust and mud spray).
Die Farbe (und Größe) der Apothecien ist variabel, je nach Alter und Feuchtigkeit - aber sie haben immer einen deutlich sichtbaren Rand und dieser ist heller. In keinem der anderen Texte steht "gelb, aber keinesfalls orange".

Lichenmaritims vergleicht auch mit deinem Vorschlag Protoblastenia rupestris.
Da muss man tatsächlich aufpassen, weil es bei der Art je nach Habitat verschiedene Formen gibt. ABER: die Apothecien haben dort keinen deutlichen Rand (eigentlich auf keinem Bild irgendein Rand sichtbar) und der Thallus reagiert nicht K+. (Standort je nach Unterart wohl sehr variabel, las etwas von Höhenlagen, aber P. rupestris f. rupestris lt. italics: "a common and ecologically wide-ranging species, most frequent on faces of calciferous rocks wetted by rain near the ground, an early coloniser of several substrata, from mortar-cement to basic siliceous pebbles, often found also in urban areas, most frequent below the subalpine belt."

Der andere Vorschlag war ja Flavoplaca (Caloplaca) oasis auf Candelariella aurella, o.ähnlich.
Das ist ja jetzt geklärt mit der K+ Reaktion des Thallus, aber auch ansonsten würde ich das für extrem unwahrscheinlich halten. Ich habe am Freitag auf einer kalkhaltigen Friedhofsmauer zum ersten Mal bewusst F. oasis gesehen (und getestet), daneben vermut. Flavoplaca citrina (getestet) und div. andere Flechten dazu. Da wächst manches nahe beieinander, einiges übereinander, durcheinander - das sind dann aber immer sehr unregelmäßige Formen.
Meine Auffindungen hier waren immer so rund, so gleichmäßig ausgeformt: größere, dunklere Apo. innen/ kleinere, hellere außen/ Thallus am Rand farblich etwas anders als in der Mitte usw. - immer gleich, für mich gehört das dann zu einer Art.
Sollte tatsächlich eine Mischform von zwei Arten einmal so gebildet werden, mag sein - aber immerzu?

Die neuen Funde
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-a.jpg
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-a.jpg (579.84 KiB) 121 mal betrachtet
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-b.jpg
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-b.jpg (686.36 KiB) 121 mal betrachtet
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-c.jpg
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-c.jpg (732.71 KiB) 121 mal betrachtet
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-d.jpg
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-d.jpg (683.95 KiB) 121 mal betrachtet
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-e.jpg
Gyalolechia flavovirescens auf älteren Betonformteilen-e.jpg (552.66 KiB) 121 mal betrachtet
Viele Grüße von abeja
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Re: Flechte auf Betonmauer - Gyalolechia flavovirescens?

Beitrag von Botanica »

Hallo abeja,
"der Lagerrand der Apothecien oft intensiver gelb, ohne Orangeton"
meine Zweifel an der Bestimmung wurden durch diese Formulierung in Wirth/Kirschbaum "Die Flechten Mitteleuropas" hervorgerufen


ich habe noch einmal in verschiedenen Büchern nachgelesen, z.B.

Wirth & al: Die Flechten Deutschlands (2 Bände)
Pauls Whelan: Lichens of Ireland & Great Britaim (2 Bände)
Purvis & al: The Lichen Flora of Grat Britain and Ireland

Wie Du aus Deinen Quellen zitierst:
es wird immer nur von einem Apothecienrand geschrieben, der heller ist, aber nie von einem gelben Lagerrand ohne orange

Diese Formulierung scheint mir nun offensichtlich nicht korrekt zu sein und hat mich auf eine falsche Fährte gelockt.

Deine Nachweise sind sehr überzeugend.



Viele Grüße

Harry
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