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Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Mo Sep 09, 2024 9:01 am
von BlonBoah
Hallo Michael,
danke für deinen Hinweis! Das habe ich tatsächlich übersehen...
Und vielen Dank für die ganzen Infos!
Liebe Grüße
Noah
Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Mo Sep 09, 2024 1:25 pm
von Andreas Melzer
Hallo zusammen,
hoffentlich wurde Nachstehendes nicht schon einmal besprochen.
Gelegentlich passt das Epitheton nicht zum Gattungsnamen, wie bei Fagus (fordert männliches Epitheton) sylvatica (ist aber weiblich). Rhamnus frangula, Corylus avellana, Ulmus glabra...
In Bäumen und Büschen leben Elfen und Feen, und die sind weiblich, also müssen auch die Gehölze weiblich sein. Woher stammt diese durchaus poetische Idee, welche schon uralt sein muss? Wurde ein Vorschlag hierzu niedergeschrieben oder gab es eine Art stillen Konsens? Dass daraus keine festgezurrte Regel wurde, ist natürlich klar.
Beste Grüße,
Andreas
Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Mo Sep 09, 2024 2:45 pm
von abeja
Hallo Andreas,
es gibt
traditionell im Lateinischen Begriffe, die auf us enden und trotzdem weiblich sind. Bäume gehören dazu, also Fagus, fem.
https://www.albertmartin.de/latein/forum/?view=27255
Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Mo Sep 09, 2024 4:18 pm
von Andreas Melzer
Hallo abeja,
aber warum ist das so? Die "Regel" wird ja auch nicht konsequent angewandt, eben weil sie keine ist. Wo liegt nun die mythologische Wurzel, grübel?
Beste Grüße,
Andreas
Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Mo Sep 09, 2024 5:03 pm
von Anagallis
Man könnte den veralteten Schrott einfach abschaffen und verheinheitlichen. "Fagix syvaticix" ist auch nicht schlechter lesbar.
Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Mo Sep 09, 2024 8:26 pm
von abeja
Wo, wie und wann diese Traditionen entstanden sind, wird man vielleicht nicht genau klären können.
Aber weshalb sollte man alles über den Haufen werfen, wenn man sich über Jahrhunderte und in vielen Ländern "daran gewöhnt hat"?
(Abschweifung: letztens las ich etwas über Sprachen, die mehr oder SEHR VIEL WENIGER so geschrieben wie gesprochen werden. Es kam dann darauf an, zu welchem Zeitpunkt man angefangen hatte, die gesprochene Sprache zu schreiben und welche (großen) Veränderungen danach auftraten. ABER wesentlich war auch, seit wann, wie weit und zu welchen Zwecken die Sprachen dann (auch deutlich über ihr Ursprungsgebiet hinaus und zur internationalen Verständigung) verbreitet waren. Englisch z. B. wird ja häufig anders ausgesprochen als geschrieben. Teilweise werden sogar gleich geschriebene Worte deutlich unterschiedlich ausgesprochen - sie haben aber unterschiedliche Bedeutungen. Es wurde die Meinung vertreten, man könnte aber - selbst wenn man wollte - keinen großen "Reformentwurf" durchsetzen, weil die Sprache international und sehr großflächig verbreitet ist.)
Bei meiner Antwort oben ging es mir hauptsächlich darum, dass die Baumnamen auf - us tatsächlich weiblich sind, also das Epitheton auf - a nicht falsch ist.
Jetzt habe ich - tatsächlich - auch noch was zum mythologischen Hintergrund gesucht.
Das geht dann auf die frühesten Religionen zurück - nicht nur auf die Römer oder die Griechen, sondern auch Hebräer, Ägypter usw. (zu anderen entfernteren Kulturen habe ich jetzt nichts gesucht) - da gab es überall "Baumgöttinnen" teilweise gleichbedeutend mit "Muttergöttin". Man hat das Wachstum, das Ergrünen, das Austreiben als typische weibliche Eigenschaften (Gebären) angesehen.
https://link.springer.com/chapter/10.10 ... 24613-9_34
https://artedeablog.wordpress.com/2018/ ... oettinnen/
https://www.ifao.egnet.net/bifao/100/17/
Bei den Römern war der einzige Baum, der Neutrum ist (also die Ausnahme) der Ahorn, Acer, n.
https://www.dendroculus-baumbetrachtung ... mpestre-l/
Acer (lat.) Ahorn einziger lateinischer Baumname, der nicht feminin, sondern aus unbekannten Gründen neutrum war. Der Gattungsname bezeichnet einen Baum mit spitz gelappten Blättern, Ableitung von acer, acris, acre (lat.) spitz, scharf.
Jetzt könnte man (vielleicht) so argumentieren: bei "spitz und scharf" denkt man an Waffen o.ä. und denkt nicht an das "Weibliche, Mütterliche o.ä." - aber es gibt ja Bäume mit viel spitzeren, schärferen Blättern (nur ist diese Eigenschaft vielleicht nicht direkt im Namen verewigt).
Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Mi Sep 11, 2024 8:53 am
von Kraichgauer
Andreas Melzer hat geschrieben: Mo Sep 09, 2024 1:25 pm
Gelegentlich passt das Epitheton nicht zum Gattungsnamen, wie bei Fagus (fordert männliches Epitheton) sylvatica (ist aber weiblich). Rhamnus frangula, Corylus avellana, Ulmus glabra...
Der Fall beruht auf was Anderem. In der Gattungsbeschreibung wird (unabhängig von der Endung!) normalerweise ein Geschlecht der Gattung festgelegt. Dazu gehören auch die o.g. zitierten Baumgattungen. Das kann von der sprachlichen Logik durchaus mal abweichen.
In einigen, vor allem alten Fällen haben sich ellenlange Debatten über das tatsächliche Geschlecht der Gattung entsponnen, vor allem in Fällen, in denen es eben nicht eindeutig definiert war, und manchmal (ich sage nur Bidens!) ist es nachträglich auch mehrfach geändert worden.
Außerdem gibt es einige Epitheta, die als "nicht beugungsfähig" gelten und damit ihre "unlogisch" scheinende Endung behalten, auch wenn sie z. B. in andere Gattungen transferiert werden. Auch hierzu gibt es im Code umfangreiche Paragraphen. Da habe ich in WorldPlants schon viele Fälle davon gesehen.
Das alles ist eine große Spielwiese für die Code-Spezialisten, so wie auch die Frage, wie weit man bei Emendierungen von Namen gehen darf.
Gruß Michael
Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Do Sep 12, 2024 12:56 pm
von Andreas Melzer
Hallo,
ich wollgte keinen cliffhanger produzieren, war nur mal kurz woanders.
Herzlichen Dank für die umfangreichen Ausführungen. Interessant und verwirrend zugleich, für Nichtlateiner besonders. Leicht vorstellbar, dass sich hier gerne mal Irrtümer einschleichen. Nun ja, ein Beinbruch sollte dass nicht sein; kleine Fehler kann man doch ohne viel Gewese korrieren.
Auf alle Fälle ist meine ursprüngliche Frage geklärt. Die "Wurzel" des Geschlechtes ist also viel, viel tiefer und wurde aus Tradition beibehalten, zumindest eine Zeitlang. Solche Anker in der galoppierenden Zeit finde ich gut.
Beste Grüße,
Andreas
Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Do Sep 12, 2024 9:47 pm
von Kraichgauer
Wieder zurück zum ursprünglichen Thema, bzw. erweitert auf nicht falsche, sondern kuriose Epitheta.
Hier ein schönes Beispiel für unfreiwilliges Product Placement, allerdings bei Insekten:
https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=s ... 1%3A%3A380. Ich gehe mal davon aus, dass die Firma keine Freiflaschen spendiert hat.
Gruß Michael
Re: Die falschesten Artepitheta
Verfasst: Fr Sep 13, 2024 10:25 am
von Andreas Melzer
Hallo,
in dieser Richtung habe ich auch was:
Physarum nochacorticola, ein Rindenpilz, bayerisch für "noch eine" corticola.
Spongiforma squarepantsii, Verwandtschaft des Steinpilzes, Namenspate ist Spongebob Schwammkopf, orig. Spongebob Squarepants.
Beste Grüße,
Andreas