Sand- und Gewöhnliches Hornkraut (Cerastium semidecandrum vs. C. holosteoides)?

Bestimmungsanfragen für europäische Wildpflanzen.
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Codo
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Sand- und Gewöhnliches Hornkraut (Cerastium semidecandrum vs. C. holosteoides)?

Beitrag von Codo »

Fundort: Deutschland, NRW, Münsterland, Rheine, Garten, Sandboden
Fundzeit: 17.4.2023
Fotos: Markus Koschinsky

Liebes Forum,

mir ist jetzt erst aufgefallen, dass ich hier womöglich 2 Hornkraut-Arten direkt nebenenander im Garten habe...?

Zunächst habe ich, gerade an etwas schattigeren Stellen, oder wo das Gras etwas höher wächst, etwas kräftigere Pflanzen, die ich bisher für Cerastium holosteoides (bzw. C. fontanum subsp. vulgare, wie auch immer) gehalten habe. Davon die ersten Bilder.

Dann fand ich aber in der Wiese, dort wo sie voll der Sonne ausgesetzt, und extrem trocken und nährstoffarm ist, kleine Pflänzchen, die ich erst ob der Trockenheit für so klein gehalten hatte. Nun hat aber ObsID mir die als C. semidecandrum identifiziert, und bei genauerem Hinsehen scheint mir das auch zu stimmen.

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist der Hauptunterschied darin, dass bei C. semidecandrum die Kelchblätter länger sind als die Blütenblätter, richtig?

Außerdem scheinen bei C. holosteoides) die Blütenblätter tiefer ausgerandet zu sein.

Beide Merkmale scheinen bei den jeweiligen Funden zu passen.

Was meint Ihr, habe ich die richtigen beiden Arten identifiziert?


Herzlichen Dank!

Codo

1. Cerastium holosteoides:
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2. Cerastium semidecandrum:
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Anagallis
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Re: Sand- und Gewöhnliches Hornkraut (Cerastium semidecandrum vs. C. holosteoides)?

Beitrag von Anagallis »

Codo hat geschrieben: Do Apr 20, 2023 8:31 pm Außerdem scheinen bei C. holosteoides) die Blütenblätter tiefer ausgerandet zu sein.
Das stimmt. C. sem. hat nur so eine Kerbe und außerdem sehr breite Hautränder an Kelch und Hochblättern.
Was meint Ihr, habe ich die richtigen beiden Arten identifiziert?
Ja.
Dominik
hegau
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Re: Sand- und Gewöhnliches Hornkraut (Cerastium semidecandrum vs. C. holosteoides)?

Beitrag von hegau »

Oben: Cerastium holosteoides, leicht kenntlich am mehrjährigen verzweigten Wuchs mit sterilen Trieben und den fehlenden Drüsenhaaren.

Die untere Pflanze halte ich allerdings für Cerastium glomeratum (Tragblätter ohne Hautrand, Kelchblätter spitzenwärts mit langen drüsenlosen Haaren).
C. glomeratum ist eine typische und häufige Pflanze magerer Rasenflächen innerorts.

Cerastium semidecandrum (Tragblätter mit Hautrand, Kelchblätter nur mit Drüsenhaaren) ist zumindest hier im Hegau selten und nur in natürlichen, beweideten Magerrasen anzutreffen, oft zusammen mit Holosteum umbellatum; im Gegensatz zu den Verwechslungsarten C. pumilum und glutinosum, die ruderal an Straßenrändern und Bahngleisen zu finden sind.

Gruß Thomas

PS: Cerastium-Schlüssel s. u.
Flora der Alpen und angrenzender Gebiete:
http://www.tkgoetz.homepage.t-online.de ... ahome.html
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Anagallis
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Re: Sand- und Gewöhnliches Hornkraut (Cerastium semidecandrum vs. C. holosteoides)?

Beitrag von Anagallis »

glomeratum paßt meiner Ansicht nach nicht. Zum einen hat die Art zehn Staubblätter und viel breitere, rundere untere Blätter.
Tragblätter ohne Hautrand
Das oberste Blattpaar dürften Stengelblätter sein. Der Blütenstand ist noch stark gestaucht, d.h. die Hochblätter sind noch hinter den Stengelblättern versteckt. Der Blütenstandsstiel streckt sich später noch, so daß man auch die Hochblätter sieht.
Kelchblätter spitzenwärts mit langen drüsenlosen Haaren
Hat semidecandrum auch, aber wegen des Hautrandes fallen sie nicht so auf. Man sieht hier auch, daß die drüsenlosen Haare nur das grüne Feld der Kelchblätter überragen (Bild untern rot), aber nicht den Hautrand (blau). Die Kelchblätter haben auch einen viel zu breiten Hautrand für glomeratum (grün) und die Kronblätter sichd zu wenig eingeschnitten. Und einen knäuligen Blütenstand sehe ich da auch nicht.
Cerastium semidecandrum (Tragblätter mit Hautrand, Kelchblätter nur mit Drüsenhaaren) ist zumindest hier im Hegau selten und nur in natürlichen, beweideten Magerrasen anzutreffen
Das ist eine typische Sandart bei uns in der Oberrheinebene sehr häufig an mageren, sandigen Stellen, wogegen glomeratum lieber mehr Nährstoffe hat.
im Gegensatz zu den Verwechslungsarten C. pumilum und glutinosum, die ruderal an Straßenrändern und Bahngleisen zu finden sind.
An solchen Standorten findet man C. semidecandrum in der Oberrheinebene auch.
Dateianhänge
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Dominik
Codo
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Re: Sand- und Gewöhnliches Hornkraut (Cerastium semidecandrum vs. C. holosteoides)?

Beitrag von Codo »

Ganz herzlichen Dank Euch beiden für die sehr detaillierte Analyse! :-)

Zum Standort wollte ich noch anmerken, dass das zwar im Prinzip mein "Rasen" vor dem Haus ist, aber eigentlich ist es ein Trockenrasen im eigentlichen Sinne. Die Pflanzengesellschaft dort hat sich seit bestimmt 20 Jahren mehr oder weniger ungestört entwickelt, gerade bei trockenem Wetter brauche ich oft monatelang nicht zu mähen, Gras im Sinne von "Rasen" ist da kaum vorhanden... ein paar Jahre hatte sich dort sogar Breitblättrige Stendelwurz angesiedelt... :-)

Ich denke, dann kann ich das als C. holosteoides und C. semidecandrum ablegen... besten Dank nochmal und allseits ein schönes Wochenende!

Gruß,

Codo
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