Rhodos, dreifleck-Ragwurz (= Ophrys calypsus)

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woody
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Rhodos, dreifleck-Ragwurz (= Ophrys calypsus)

Beitrag von woody »

Das ist die letzte, versprochen. heldreichii, calypsus...?
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Uwe Grabner
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Re: Rhodos, dreifleck-Ragwurz

Beitrag von Uwe Grabner »

Ophrys calypsus - ziemlich eindeutig aufgrund der Zeichnung und Lippenwölbung.
Uwe Grabner
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Re: Rhodos, dreifleck-Ragwurz

Beitrag von Uwe Grabner »

Ophrys heldreichii kommt auf Rhodos nicht vor.
Die Pflanzen, die früher von Kretzschmar als heldreichii geführt wurden sind in der Lippenform schlanker als die heldreichii von Kreta und wurden als Ophrys polyxo neu beschrieben.
Die hast Du bestimmt auch gefunden...
woody
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Re: Rhodos, dreifleck-Ragwurz

Beitrag von woody »

Danke schön, Uwe. polyxo habe ich leider nicht gesehen. Ich war nur eine Woche dort und nicht gezielt auf Orchideensuche. Das wird wohl ebenfalls calypsus sein?
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Kraichgauer
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Re: Rhodos, dreifleck-Ragwurz (= Ophrys calypsus)

Beitrag von Kraichgauer »

Das kann man alles vereinfachen, weil alle diese "Arten" und Namen (scolopaxoides, pseudoapulica, polyxo, calypsus) sinnvollerweise nur als Varietäten von O. heldreichii geführt werden sollten, was auch molekulargenetisch begründet ist. Alles andere ist übermäßiges Splitting. Auf Rhodos stehen die alle manchmal munter durcheinander auf derselben Wiese. Aber ich weiß, ich bekomme jetzt wieder Briefbomben von den Ophrys-Splittern.

Gruß Michael
Uwe Grabner
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Re: Rhodos, dreifleck-Ragwurz (= Ophrys calypsus)

Beitrag von Uwe Grabner »

Hallo Michael,
das ist sicherlich aber auch nicht zielführend. Es gibt bestimmt zu viele Arten, da kann man im Detail sicher diskutieren, aber wenn man das so macht wie Du, oder auch Herr Hennecke es vorschlägt, wird der Wissenstand um mindestens 50 Jahre zurückversetzt. Finde ich nicht gut.
Herr Hennecke hält übrigens beispielsweise Ophrys aesculapii für gar nix, sondern eine gefestigte Hybride zwischen Ophrys spruneri und Ophrys sicula (mdl. Anfang des Jahres in München). Das ist dann natürlich schwer nachvollziehbar und eher abenteuerlich.
Deinem Vorschlag folgend, braucht sich Woody keine Gedanken mehr über Ophrys rhodia, oder gar Ophrys regis-ferdinandii von Rhodos machen. Das ist dann alles nix gscheits - aber dafür einfach.
Viele Grüße und nichts für ungut.
Uwe
Kraichgauer
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Re: Rhodos, dreifleck-Ragwurz (= Ophrys calypsus)

Beitrag von Kraichgauer »

Tja, aber wenn der in den letzten 50 Jahre erworbene "Wissensstand" halt die Realität nicht widerspiegelt, sondern in einigen Fällen die Hypothesen von Leuten, die einer Vision aufgesessen sind, dann ist das auch nicht zielführend.
Abgesehen davon, man kann ja die ganzen Sippen als Varietäten erhalten und benennen, aber nicht als vollgültige, stabilisierte und genetisch sauber getrennte Arten, das sind sie nämlich nicht. Die Kategorie Unterart ist ebenfalls keinesfalls passend.
Die Kew-Leute sind dagegen in der Tat zu extreme Lumper. Sie mixen einfach alle fuscoiden Arten in eine Ophrys fusca sensu latissimo und erkennen innerhalb von Ophrys nur noch so 20 bis maximal 30 Arten an. Das ist wohl auch zu übertrieben.

Und übrigens: regis-ferdinandii ist eine von allen anerkannte Art und klar - auch genetisch - von speculum getrennt. Ophrys rhodia wird ebenfalls in der Regel anerkannt, auch von Hennecke.
Und es stimmt nicht, dass Hennecke aesculapii gar nicht anerkennt, sondern er bezeichnet sie als ein hybridogen aus ferrum-equinum x sicula entstandenes Taxon (sein Buch S. 462) und schreibt sie sogar ohne Hybridzeichen. Wo ist also das Problem?

Aber ich hab' schon oft geschrieben: hier ist das Lebenswerk von vielen Leuten bedroht, daher habe ich jedes Verständnis für Probleme, die Realität zu akzeptieren. Aber die Gene geben es einfach nicht her, dass es 300-400 Ophrys-"Arten" geben soll.

Gruß Michael
Uwe Grabner
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Re: Rhodos, dreifleck-Ragwurz (= Ophrys calypsus)

Beitrag von Uwe Grabner »

Hallo Michael,
finde ich nicht so arg fair, andere Auffassungen unter Eitelkeiten zu verbuchen und einhergehenden Realitätsverlust zu attestieren. Aber egal...

Herr Hennecke sagte selbst, dass es bis heute unmöglich ist, im Pflanzenreich (im Gegensatz zum Tierreich) mit genetischen Untersuchungen auf eine Art zu schließen. Man kommt offenbar nicht auf das Level der Art herunter. Ist das wirklich so?
Ich habe ja bereits geschrieben, dass man im Detail über einige Taxa sprechen könnte, was ja im übrigen ja auch getan wird.
Aber bleiben wir bei O. regis-ferdinandii als ein interessantes Beispiel.
Laut Hennecke sind regis-ferdinandii und lusitanica keine Arten, keine Unterarten, ja nicht einmal Varietäten, sondern nur Übergangsformen (!) von speculum. Zumindest sagte er das bei seinem Vortrag in München.
Natürlich ist sie morphologisch auf den ersten Blick von speculum zu unterscheiden, selbst Hybriden kann man gut ansprechen, rollt man die Lippe aber auf, ist die nahe Verwandschaft zu speculum nicht zu leugnen. Wenn, ja wenn der Bestäuber nicht wäre...
Der Bestäuber von speculum hat kein Interesse an Ophrys regis ferdinandii. Der Bestäuber von O. regis ferdinandii ist eine Grabwespe (Argogorytes fargeii) während der Bestäuber von speculum die Dolchwespe Dasyscolia ciliata ist (PAULUS 2011).
Die Lockstoffe scheinen grundverschieden zu sein. Demnach biologisch zwei gute Arten, die nebeneinander in einem relativ kleinen Bereich der Ägäis zusammen existieren und sich nicht vermischen. Hybriden findet man nur sehr selten!
Die Abhängigkeit der einzelnen Ophrys-Sippen vom Bestäuber ist unbestritten, sehr wohl wissend, dass ein und dieselbe Biene verschiedene Ophrys-Arten bestäuben kann. Diese Sippen, die den gleichen Bestäuber haben, werden vor allem in letzter Zeit oftmals zu geografischen Subspecies herabgestuft (z.B. die Unterarten von Ophrys exaltata). Ich frage mich, warum diese Bestäuberbeziehungen und die Untersuchungen dazu gern als unbrauchbar, oder gar wertlos abgetan werden.
Nimmt man noch einmal kurz Ophrys speculum, muss man sich doch fragen, warum diese allgemein im gesamten Mittelmeergebiet verbreitete Art ausgerechnet auf der großen Orchideeninsel Kreta nicht vorkommt. Bemerkenswerterweise kommt auch das Bestäuberinsekt auf Kreta nicht vor. Biotope für Ophrys speculum gäbe es auf Kreta sicher zuhauf...
Gruß
Uwe
Kraichgauer
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Re: Rhodos, dreifleck-Ragwurz (= Ophrys calypsus)

Beitrag von Kraichgauer »

Ich weiß, diese Diskussionen sind mühselig und fruchtlos. Trotzdem noch einige Bemerkungen:
- Das Bestäuber-Argument als Art-Trennung der Mikrospezies ist schon daher falsifiziert, dass es derart viele Hybriden gibt. Die müssen ja irgendwie entstanden sein bzw. immer noch entstehen, oder? Dass es bevorzugte Bestäuber-Orchideen-Beziehungen gibt, ist in der Tat unbestritten, aber sie sind eben (noch) nicht exklusiv. In so einer Gattung in rasanter Radiation bilden sich eben ständig neue Hybridschwärme, Sippen und Varietäten - ob sich diese später mal zu wirklichen Arten selektieren, werden wir in unserer Lebenszeit leider nicht mehr erleben.
- Hennecke hat in seinem Buch sehr wohl O. regis-ferdinandii explizit als eigene Art anerkannt, die allerdings erwartungsgemäß genetisch in derselben Sektion wie O. speculum eingeordnet wird. In diesem Fall gibt es auch genetisch gute Gründe zur Trennung (Bateman et al. 2018). Ich habe seinen Vortrag in München nicht gehört (nur einen in Stuttgart), aber was Du erzählst, widerspricht seinem Buch und seinen Aussagen in Stuttgart.
- Das Bestäuber-Argument kann man durchaus gelten lassen, wenn es um Fälle geht, in denen sich die Orchideenarten bereits morphologisch drastisch auf eine spezielle Bestäuber-Gruppe eingestellt haben, und dies auch genetisch unterstützt wird. Hennecke führt dies übrigens explizit als Argument für die Artberechtigung von regis-ferdinandii an, die sich ja auf Argogorytes als Bestäuber umgestellt hat. Aber (!) auf der Ebene einzelner Arten von Bestäubern (z. B. Andrena) dann Mikrotaxa von Orchideen allein mit diesem Argument zu definieren, erscheint mir definitiv zu weitgehend, zumal ja dann weder morphologische noch genetische Argumente dies unterstützen.
- Natürlich kann man im Pflanzenreich mit genetischen Untersuchungen eine Art definieren, die Frage ist lediglich die Qualität des verwendeten Markers und der zugebilligte genetische Abstand. Das Problem ist aber speziell eines der Gattung Ophrys! Insofern musst Du Dich verhört haben, Hennecke meinte sicherlich die Gattung Ophrys. Hier kommt man nicht auf die Ebene der meisten bisher geglaubten Arten herunter, weil die genetischen Abstände trotz der morphologischen Unterschiede praktisch nicht vorhanden sind - das hat auch die Leute, die die genetischen Stammbäume machen, verblüfft. Und das unterscheidet die Gattung eben von den meisten anderen Pflanzengattungen. [Vor 15-20 Jahren in den ersten Stammbäumen hofften alle - ich auch - noch, dass die Genetiker noch keinen gescheiten Marker gefunden hatten und irgendwann nochmal ein besserer gefunden würde, der die morphologischen Arten wirklich trennt. Aber leider haben auch die späteren, viel besseren Multimarker-Analysen diese Resultate bestätigt.]

Hauptargument: Evolution ereignet sich nicht über Nacht, und es entstehen keine neuen Arten plötzlich (außer in der Bibel). Eine Artentstehung muss irgendwann mal beginnen, indem Populationen sich über Umwelt (Standorte, Böden) oder eben auch über Bestäuber graduell auseinanderdifferenzieren, aber noch keine eigenen Areale erschlossen haben und noch keine strikte Fertilitätsbarriere (mit sterilen F1-Hybriden!) existiert. Dann sind es erst mal Varietäten, nichts weiter (den Unterartbegriff sollte man auf geographische getrennte Areale beschränken). Ob sich diese Varietäten dann später wirklich mal zu vollgültigen Arten auseinanderdifferenzieren, entscheidet die Zeit und die Selektion - sofern der Mensch sie nicht vorher ausrottet.

Aber nochmal: ich bin kein Ophrys-Spezialist, ich betrachte diese Diskussionen nur mit Faszination "von außen" und versuche, eine vernünftige Lösung für meine Checklisten zu finden. Und da hat sich halt ergeben, dass die Genetiker bei Ophrys nur 20-30 Arten wirklich anerkennen, wenn sie die gleichen (!) Maßstäbe wie bei anderen Pflanzengattungen anlegen, und selbst mit größter Mühe und Verbiegung der sonst üblichen Standards kann man nur 60-80 Arten rechtfertigen. Aber keine 300-400. Die Modelle haben sich leider eher auseinanderentwickelt als dass ein Kompromiss möglich war. Wenn Hennecke jetzt einen Kompromiss versucht, dann wird er zwangsläufig von beiden Seiten geprügelt...
Der Unterschied von Ophrys zu anderen ist: zu Ascherson- und Graebner- bzw. Hegi-Zeiten (1880-1930) wurden in fast jeder europäischen Pflanzengattung ellenlange Listen von Abertausenden von Arten, Subspezies, Varietäten, Subvarietäten, Unterformen und so weiter kreiert. Kann man in Buttler-Liste, POWO oder WorldPlants bewundern. Bei fast allen anderen Gattungen wurden diese "Novitäten" später einfach wieder einkassiert, spätestens nach der Genetik-Revolution. Aber in Ophrys weigern sich viele, diese Reductio ad minimum zu akzeptieren.

Gruß Michael
woody
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Re: Rhodos, dreifleck-Ragwurz (= Ophrys calypsus)

Beitrag von woody »

Da kann ich leider nicht mitreden, aber ich glaube den regis-ferdinandi auch erwischt zu haben:
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