Forum Flora Germanica

Hallo allerseits,

ich habe gestern und heute auf einem vermutlich nicht mehr oder kaum befahrenen Industriegleis in der Nähe von Rodgau-Nieder-Roden (Südhessen) eine seltsame Pflanze gefunden. Die Blätter waren enorm schmal. Die winzigen Blütchen mit je 4 stark eingeschnittenen Blütenblättern waren weiß mit rötlichen Streifen. Zwei der sehr wenigen Pflanzen waren über 1 m hoch. Im Prinzip sollte das alles zu Epilobium brachycarpum passen. Allerdings habe ich die Drüsen nicht gesehen, wohl aber einige weiße Haare unterhalb der Fruchtknoten. Gibt es zu dieser seltsamen Art noch irgendwelche Verwechslungsarten?

Viele Grüße
Robert

Robert hat geschrieben: So Jul 30, 2023 10:39 pmZwei der sehr wenigen Pflanzen waren über 1 m hoch. Im Prinzip sollte das alles zu Epilobium brachycarpum passen. Allerdings habe ich die Drüsen nicht gesehen, wohl aber einige weiße Haare unterhalb der Fruchtknoten.

Sie kann Drüsen an der Frucht haben, muß aber nicht. E. brachycarpum stimmt natürlich. Das ist eine der Arten, die mit einer beliebigen Menge Nährstoffen zur Blüte kommt, egal ob sie dann 5 oder 150 cm groß ist.

Gibt es zu dieser seltsamen Art noch irgendwelche Verwechslungsarten?

Nein.

Hallo Robert,

was noch interessant ist: im Gegensatz zu Epilobium ciliatum, welches mit vielen einheimischen Arten hybridisiert, sind mir von Epilobium brachycarpum (aus D / Europa) noch keine Hybriden bekannt geworden.

Gruß
Peter

Die Gattung hat drei Subgenera, Epilobium im engeren Sinne (2n=36), Chamaenérion (2n=36) mit den Arten mit asymmetrischen Blüten (angustifolium, dodonaei und fleischeri) - mittlerweile zur eigenen Gattung befördert - sowie Xerolobium (2n=24) mit brachycarpum. Zwischen diesen Gruppen sind meine Wissens nach keine Hybriden bekannt. Von der Gruppe mit brachycarpum gibt's in Europa sowieso nur die eine Art, und innerhalb Chamaenérion habe ich auch noch nichts von Hybridbildung gelesen. Ich könnte mal im Garten versuchen, die drei Arten zu kreuzen, vorausgesetzt dodonaei bequemt sich zur Blüte, bevor die anderen verblüht sind. In der Natur treten sie zum Teil in räumlicher Nähe zueinander auf (Schotterauen an Gebirgsflüssen).

Doch, es gibt angeblich eine Hybride bei Chamaenerion:

Epilobium x prantlii Dalla Torre & Sarnth., Fl. Tirol 6: II. 872 (1909)
= Chamerion x prantlii (Dalla Torre & Sarnth.) Holub, Preslia 70(2): 101 (1998)
= Epilobium dodonaei nothosubsp. prantlii (Dalla Torre & Sarnth.) B. Bock, Bull. Soc. Bot. Centre-Ouest 42: 269 (2011 publ. 2012)

Da Bock eine "nothosubsp." festlegt, meint er vermutlich C. dodonaei (subsp. dodonaei) und C. fleischeri (= C. dodonaei subsp. fleischeri) als Eltern, denn fleischeri ist früher als subspecies in dodonaei eingegliedert gewesen.

Gruß Michael

Ist das "Flora der gefürsteten Grafshaft Tirol, des Landes Vorarlberg und des Fürstenthumes Liechtenstein " Band 6? Haben wir das irgendwo zur Verfügung?

Im Zweifelsfall sollte das auf zobodat oder in der Biodiversity Heritage Library vorhanden sein, da älter als 100 Jahre. Gruß Michael

Sieht schlecht aus, im Netz gibt es nur die Bände I (Gefäßpflanzen), II (Algen), III (Moose) und V (Pilze). IV und VI 1-4 fehlen.

Hallo allerseits,

dann ist meine Pflanze jedenfalls Epilobium brachycarpum. Besten Dank an alle, insbesondere an Dominik und Peter!

Mit freundlichen Grüßen
Robert