Aufruf zur Kartierung von Portulak

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Manfrid
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Manfrid »

Kraichgauer hat geschrieben: Do Aug 10, 2023 7:56 amgenetischen Mindestdistanz
Klingt absolut überzeugend. ;)
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abeja
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von abeja »

Hallo,
im letzten Jahr hatte ich direkt an der Schweizer Grenze, siehe Kalender 2022 Portulak (ohne Blüten und Früchte) gefunden.
In diesem Jahr waren am gleichen Ort vor 2 Wochen erst Minipflanzen zu sehen (nur ein paar Blättchen) und gestern waren viele Triebe schon mit sich öffnenden Samenkapseln sowie mit (fest) geschlossenen Blüten(knospen) besetzt (nachmittags).
Ich glaube fast, dass diese Pflanzen ausschließlich kleistogam blühen.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7442420/
"Inherited dimorphism in cleistogamous flower production in Portulaca oleracea: a comparison of 16 populations growing under different environmental conditions"

"Just for fun" habe ich ein paar Triebspitzen mitgenommen. Ich wollte mal schauen, wie weit ich mit meiner Kamera (+ LED-Lampe zusätzlich) bei der Samenbetrachtung komme. Theoretisch schaffe ich es, 1 mm auf 7 cm "aufzupumpen" in der 100-Prozent-Ansicht des Fotos, überprüfbar mit fotografiertem Lineal. Gut aufgelöst ist das aber nicht mehr. Ca. 40-fache Vergrößerung ist jedoch realistisch.

Man sieht, dass die Samen deutlich unter 1 mm groß sind, knapp 0,8 mm und überall, auch auf der Fläche, leicht "buckelig" wirken (Lichtreflexe mit Pünktchen, wahrscheinlich sind das die Papillen). Am Rande (auf dem schmalen Rücken) sind aber eindeutige, höhere Tuberkel. Die Samen, die relativ flach liegend fotografiert wurden, zeigen auf der Fläche keine Tuberkel (gegen den hellen Hintergrund müssten sie sich sonst da auch deutlich abheben). Diese puzzle-artigen Zellstrukturen kann man in der Vergrößerung (hier ca. 45-fach) nicht wirklich erkennen ... auch ansonsten ist mehr Raten als Sehen angesagt ... (es darf gelacht werden ... ;) )

Demnach wäre das meiner Meinung auch hier die häufigste "Sippe"/ Art Portulaca papillatostellulata.
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Viele Grüße von abeja
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Anagallis
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Anagallis »

Wenn man mal alle diese Arten auf diese Weise fotographiert hat, kann man sie an den Samenfotos vermutlich auch unterscheiden.

Aus eigenen Experimenten kann ich noch beisteuern:

1. Den richtigen Winkel für die Beleuchtung zu finden, so daß man auch etwas sieht, ist ziemlich knifflig.
2. Beleuchtung direkt von oben ist Käse.
3. LED-Beleuchtung erschwert die Sache zum Teil, weil sie aus vielen Einzelbirnchen zusammengesetzt ist und die Anzahl der Lichtreflexe erhöhen kann.
4. Auch in den Lücken zwischen den Puzzleteilen gibt es Lichtreflexe, und das ist richtig eklig, weil man unterscheiden muß zwischen "Reflex auf Scheinärmchen" und "Reflex in Lücke". Das ist mit der Lupe fast unmöglich.
5. Tuberkel auf dem Samenrücken haben alle Arten. Zumindest bei sativa erkennt man die Tuberkel auf den Puzzleteilen aber leicht mit der Lupe. Die sind ziemlich groß. Die anderen Arten mit Tuberkeln habe ich noch nicht gefunden.
Dominik
Kraichgauer
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Kraichgauer »

Also das mit dem "Nichtblühen" oder "Kleistogamie" kann ich nicht durchweg bestätigen. Letztes Wochenende haben zahlreiche Populationen in der nördlichen Oberrheinebene (meistens Sandäcker oder Straßenränder) reichlich geblüht. Aber ich habe manchmal den Eindruck, dass es kleistogam losgeht und sich Blüten erst später im Jahr bzw. an gut besonnten Standorten entwickeln. Die Exemplare in städtischen Rabatten sind dagegen oft tatsächlich nichtblühend - kleistogam. Es kommt wohl tatsächlich auf den Standort an.
Gruß Michael
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botanix
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von botanix »

Hallo,
blühende Pflanzen nur bei Sonnenschein am späten Vormittag. Schon in der Mittagspause um 13 Uhr ist es zu spät.
@Michael: gibt es denn Kleinarten die ausschließlich kleistogam blühen? Das wäre für die Bestimmung ein Hinweis, aber ich wüsste es jetzt nicht.
@Dominik & abeja: Vor ein paar Wochen habe ich erstmals einen Lackabzug von einem Carex Blatt versucht, um die Lage der Spaltöffnungen auf Ober- oder Unterseite zu sehen. Mit dem 40fach Bino konnte ich im Auflicht am Blatt selbst nichts erkennen. Der Lackabzug zeigte im Durchlicht bei 100facher Vergrößerung am Mikroskop die Spaltöffnungsreihen deutlich. Die Methode von Hans Reichert kann ich nur empfehlen.
Ein paar Portulak Proben habe ich schon gesammelt, die Lackabzüge (plus Fotos) mache ich erst im Winter, jetzt ist keine Zeit dafür.
Gruß
Peter
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Anagallis
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Anagallis »

Das Problem an den Lackabdrücken der Samen, mal abgesehen von technischen Schwierigkeiten, ist die stark dreidimensionale Oberfläche der Samen. Die Fixierung der Samen in Lack - sie legen sich automatisch auf die Seite - macht übrigens die Betrachtung der Samen einfacher.
Dominik
Spinnich
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Spinnich »

Ich habe mal vor mehreren Jahrzehnten auf einer Urlaubsreise an einem Parkplatz oder Rastplatz an der E45 zwischen Ingolstadt und Kiefersfelden an einer Böschung eine mir damals unbekannte kleine sukkulente Pflanze in wenigen Exemplaren gefunden.
Ein Mitbringsel hat sich in meinem Garten etabliert, inzwischen gelegentlich auch in Blumentöpfen und Pflasterritzen zu finden.
Diese Pflanzen sind auf nahrhafter humoser feuchter Erde sehr großwüchsig, die Blätter dann bis 5 cm lang, die Stängel der großflächigen auch an schattigeren Stellen nach oben strebenden Pflanzen werden durchaus 2-3 cm dick.
Es gibt Sortennamen, z. B. Portulaca oleracea v sativa, Golden Purslane 'Green', die den Pflanzen auch in der hellen Blattfarbe ähneln.
Nach Kulturangaben werden die Pflanzen auch bis 40 cm hoch. Sie blühen ab einem gewissen Alter regelmäßig und öffnen ihre Blüten zumindest am Vormittag.
Leider hat diese Variante seit einigen Jahren durch eine Krankheit ihre Attraktivität als Nutzpflanze eingebüßt (Pilz vermutlich) und bekommt im Laufe der Vegetationszeit irgendwann rasch um sich greifende Blattkrankheiten (helle Flecken und Einsenkungen auf den Blättern), sowohl im Freiland, wie im Gewächshaus.
Erstaunlicherweise sind aber zunächst vereinzelt auf verdichtetem Boden (Gartenwege) vor wenigen Jahren einige kleinwüchsige an Hitze und Trockenheit angepasste kleine Pflanzen aufgetaucht, die sehr flach wachsen und womöglich kleistogam sind. Ich habe da noch keine blühen gesehen.
Diese Variante hat sich inzwischen auch stärker ausgebreitet, wird nun auf besseren Böden wachsend auch größer, bleibt dort (im Freiland, etwas aufrecht im Gewächshaus) aber flach niederliegend und hat kleinere schmale dunkelgrüne Blätter und rötlichere Stängel.

Ich gehe davon aus, dass es die gleiche Art ist, woher sonst sollte diese stammen. Aus benachbarten Gärten habe ich noch keine der beiden Sippen sichten können.

Neue Sippe im Gewächshaus, junge Sämlinge der Kulturform
Neue Sippe im Gewächshaus, junge Sämlinge der Kulturform
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verwilderte Pflanzen, rote Stängel, niederliegend
verwilderte Pflanzen, rote Stängel, niederliegend
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Kulturpflanzen (mit kranken Blättern)
Kulturpflanzen (mit kranken Blättern)
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noch eine (gerodete) Pflanze mit kräftigerem Wuchs
noch eine (gerodete) Pflanze mit kräftigerem Wuchs
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Ich habe von beiden Pflanzen Saatgut gesammelt, etwas schwierig bei der verwilderten Sippe, da kaum Blüten gebildet waren.
Mein Eindruck, die Samen sind zwar fast gleich, aber an der Kulturform sind die Wärzchen etwas flacher und weniger zahlreich?


Same (K) flach
Same (K) flach
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Same (K) Kantenansicht
Same (K) Kantenansicht
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Fruchtkapsel
Fruchtkapsel
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Same (W) mit Warzen
Same (W) mit Warzen
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Samen (W)
Samen (W)
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Fruchtstand (W) mit Samen
Fruchtstand (W) mit Samen
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Ist das alles Portulaca oleracea var. oleracea, alle mit dem gleiche Polyploidiegrad?
Wie bereits angesprochen ist es schwierig bei LED Licht (Bresser- USB - Mikroskop für PC) sehr scharfe Bilder zu bekommen.
Eine hochwertige Makrokamera oder Mikroskop besitze ich nicht, mein einfaches Binokular hat auch keine Fotoeinrichtung.


LG Dieter
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Anagallis
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Anagallis »

Zur Nomenklatur und Ploidie siehe die ersten Beiträge im Thema.

Die Pflanzen sind meist kleistogam, d.h. die Blüten öffnen sich nicht, bestäuben sich im geschlossenen Zustand selbst und bilden dann Früchte. Kann sein, daß es für reife Samen noch etwas früh ist.

Die Tuberkel auf dem _Rücken_ der Samen spielen keine Rolle, sie sind bei allen Arten vorhanden. Es geht um die Struktur der flachen Seite, und dafür reichen beim besten Willen die Fotos nicht. Genaugenommen war von uns noch niemand in der Lage, zur Bestimmung taugliche Bilder anzufertigen. Die einzigen tauglichen Fotos bisher sind die Schichtbilder der Lackabdrücke von Reichert sowie die Aufnahmen aus dem Elektronenmikroskop. Vierzigfache Vergrößerung mit einem guten Bino ist hart an der Grenze, ab der man überhaupt nichts mehr erkennt.
Dominik
Kraichgauer
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Kraichgauer »

Also jetzt zum wiederholten Male: die kultivierte Sippe ("sativa") ist VIEL größer und fleischiger. Das sieht man auf Anhieb. Was Spinnich da oben abgebildet hat, sind irgendwelche Wildformen, wie sie mittlerweile zu Millionen in fast jeder Siedlung wachsen.

Die Größe und Wuchsform der Wildformen haben NICHTS zu sagen und korrelieren nicht mit den Samenmerkmalen (leider) - bzw. bisher hat noch niemand ein korrelierendes Wuchsmerkmal gefunden. Man kann das immer wieder sehen, dass in manchen Populationen kleinblättrige Exemplare direkt neben großen, dick- und rotstieligen Exemplaren wachsen. Wenn man die zerlegt, dann kommt fast immer derselbe Samentyp raus. Das hat übrigens auch Bomble in seiner Portulaca-Arbeit zugeben müssen, und Bomble ist derjenige, der aus jedem morphologisch unterscheidbaren Exemplar im Zweifelsfall sofort eine neue Art kreiert.
Was auch immer auffällt: Die Populationen sind nie morphologisch homogen, jedenfalls habe ich noch keine gefunden. Es stehen immer (!) große und kleine durcheinander.
Ich habe es dieses Jahr aber auch mal wieder versucht, statistisch Proben von kleinen und großen, möglichst unterschiedlichen Exemplaren zu nehmen. Mal sehen, was dabei herauskommt.

Gruß Michael
Spinnich
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Spinnich »

Anmerkung zu der Samengröße in Abhängigkeit zur sonstigen morphologischen Varianz:

Bei den Samen meiner Pflanzen sind die Samengrößen der beiden Typen sehr unterschiedlich, wie ich schon mit bloßem Auge feststellen konnte und hier noch mal kurz am Bild zeige. Samengröße knapp 1mm oder deutlich kleiner.

Samengröße der unterschiedlichen Typen
Samengröße der unterschiedlichen Typen
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Übrigens sind über vielleicht 15-20 Jahre bei der Kultur keine abweichenden Wuchsformen nebeneinander aufgetreten, das ist erst seit wenigen Jahren aufgetreten und hat sich nun nivelliert.

Ohne einen mikroskopischen Beleg für meine Vermutung zu haben, würde ich bei Exemplaren die 25-30 cm hoch und mit Trieben bis über 30 cm Länge und einer Dicke bis 3 cm und mit dickfleischigen mindestens 5 cm langen Blättern doch von einer (verwilderten) Kulturform ausgehen.
Derart große Exemplare entsprechen genau den Beschreibungen der Saatguthersteller. Leider sind die ganz großen Exemplare gerodet, so dass ich dies zur Zeit nicht fotografisch belegen kann.

Hans Reichert hat ja festgestellt, dass vermutlich das Kultur-Saatgut P. edulis entspricht, die vermutlich aus P. trituberculata (= Typ D sensu Reichert) – in D zerstreut heraus selektiert wurde.

LG Dieter
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