Aufruf zur Kartierung von Portulak

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Kraichgauer
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Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Kraichgauer »

Hallo zusammen,

ob es sich beim Portulaca-oleracea-agg. jetzt um "gute Arten", Varietäten oder was auch immer handelt, bleibt erst mal dahingestellt. Zunächst sollte man mal annehmen, dass es sich um hexaploide, apomiktische Klone handelt, die man an der Samenstruktur unterscheiden kann. Die anderen morphologischen Merkmale scheinen nicht mit den Samen zu korrelieren (aber s.u.).

Außerdem gibt es Bewegung bei der Definition der Sippen. Während man früher (Danin und nachfolgende Autoren) davon ausging, dass die Samengröße mit der Ploidie korreliert, und die damaligen Schlüssel alle gleich mit der Samengröße anfingen, konnten Walter et al. nachweisen, dass in Mitteleuropa ausschließlich hexaploide Sippen nachgewiesen wurden. Das heißt nicht, dass es keine tri- oder tetraploiden gibt, es hat sie halt nur noch niemand gefunden.
Lustigerweise ist früher als häufigste Sippe in Mitteleuropa "granulatostellata" angegeben worden, basierend auf der Samengröße. Die ist aber triploid und von Hawaii beschrieben. Das Fehlen von Triploiden schließt aber die Namen "granulatostellata" und gleich auch "nitida" für Europa aus. Was früher als "granulatostellata" bezeichnet wurde, ist identisch mit "papillatostellulata" (grauslicher Name, ich weiß).

Hans Reichert hat gerade in der Kochia 16 einen online erhältlichen, sehr schönen Artikel mit der Definition der in Mitteleuropa nachgewiesenen 4 "Wildsippen" plus die kultivierte P. sativa publiziert: https://ojs.ub.uni-frankfurt.de/kochia/ ... e/view/165. Das vereinfacht die Bestimmung der Wildsippen ungemein, da sich die Einteilung besser durchführen lässt. Die "Lackabdrücke" Reicherts braucht man nicht, ein Mikroskop tut es auch, nur werden die Bilder nicht so schön.

Ich habe mal folgende Tabelle geschrieben, deren Merkmale man mit einer 20-40 x Lupe eigentlich sehen sollte, wenn man mit Reicherts Photos vergleicht:

1. Ohne Tuberkel ("Warzen") auf der Seiten(!)oberfläche (= flacher Bereich) der Samen:
A. Samen auch auf dem Rücken glatt: P. oleracea s. str. (= Typ A sensu Reichert, P. nitida auct., P. stellata) – in D selten
B. Samen auf dem Rücken mit Tuberkeln: P. papillatostellulata (= Typ B sensu Reichert) – in D sehr häufig

2. Mit Tuberkeln ("Warzen") auf der Seiten(!)oberfläche (= flacher Bereich) der Samen:
A. Tuberkel auf der Seitenoberfläche klein, rundlich, weit voneinander getrennt: P. cypria (= Typ C sensu Reichert) – in D bisher nicht sicher nachgewiesen
B. Tuberkel auf der Seitenoberfläche groß, oval, eng in Reihen stehend: P. trituberculata (= Typ D sensu Reichert) – in D zerstreut

3. Sehr großwüchsig, Samen ca. 1,2 mm Durchmesser (statt < 0,9 mm)
Mit irregulären kleinen Tuberkeln auf der Oberfläche: P. sativa (= Typ E sensu Reichert) – in D nur adventiv aus Gartenkultur

Nicht in D nachgewiesen: P. granulatostellata (triploid), P. nitida (triploid).

Was mich jetzt interessieren würde:
Gibt es vielleicht doch korrelierende morphologische Merkmale (Blattgröße, Stängelfarbe etc.)?
Findet jemand P. cypria in Deutschland? (Bisher nur Frankreich, Belgien und Mittelmeer).

An Ergebnissen wäre ich höchst interessiert.

Gruß Michael
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Anagallis
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Anagallis »

Kraichgauer hat geschrieben: Di Aug 01, 2023 8:00 pm deren Merkmale man mit einer 20-40 x Lupe eigentlich sehen sollte
Leider nicht. Mit der Lupe ist nichts zu wollen. Mit dem Bino hat man das Problem der Lichtreflexe. Ich experimentiere gerade mit einseitiger Beleuchtung und den Lackabrücken, aber das ist alles nicht so einfach. Die Papillen sind zu klein, um sie direkt erkennen zu können.
Dominik
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Anagallis
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Anagallis »

Die Oberflächenstruktur soll wie folgt aussehen:

1. Bei allen Arten sind größere Strukturen zu erkennen, die im Umriß an Puzzleteile erinnern. Bei stellata und papillostellulata sind diese Strukturen auffällig, bei den anderen Arten weniger.

2. Zusätzlich können auf den Puzzleteilen Papillen und ein bis drei Tuberkel vorhanden sein. Die Tuberkel sind relativ große Erhebungen im Rumpf des Puzzleteils. Die Papillen sind viel kleiner und am Ende der Füßchen des Puzzleteils zu finden (siehe Bild).


Das Problem ist nun, daß die Papillen und Tuberkel so klein sind, daß die Beleuchtung des und Lichtreflexe auf dem Samen die Sicht erheblich stören. Reichert fertigt Lackabdrücke der Samen in farblosem Nagellack auf einem Objektträger an und betrachtet sie im Durchlicht. Tuberkel und Papillen führen dabei zu Glanzlichtern unter dem Mikroskop bei passender Wahl der Fokusebene. Ich probiere gerade, ob man nicht mit schräg seitlicher Beleuchtung durch Lichtreflexe denselben Effekt hervorrufen kann, aber da ist noch nichts spruchreif.

--

Jedenfalls wäre für jede zu bestimmende Pflanze ein Tütchen mit Samen zu sammeln und aufzuheben als Beleg oder für weitere Bestimmung. Das Anfertigen von Lackabdrücken scheint mir eine gute Art zu sein, wie man prüfbare Belege herstellen kann.
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Dominik
Kraichgauer
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Kraichgauer »

Sorry, mein Fehler. Mit "Papillen" hatte ich eigentlich die Tuberkel (vulgo "Warzen") gemeint. Das korrigiere ich oben, damit ich niemand durcheinanderbringe. Gruß Michael
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Anagallis
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Anagallis »

Es gibt beides; Tuberkel auf der Fläche der Puzzleteilrumpfes und Papillen an den Tentakelenden. Was da genau außer der Größe der Unterschied ist, kann ich beim besten Willen bei 40-facher Vergrößerung nicht erkennen.

D.h.:

1. P. oleracea (s. str.) (= stellata): Puzzelteile deutlich, keine Papillen, keine Tuberkel.
2. P. papillatostellulata: Puzzelteile deutlich, Papillen vorhanden, keine Tuberkel.
3. P. cypria: Puzzelteile undeutlich, keine Papillen, 1(-2) Tuberkel (flacher und stumpfer als bei 4)
4. P. trituberculata: Puzzelteile undeutlich, Papillen vorhanden, (1-)2-3 Tuberkel (eng in einer Reihe stehend, spitzer als bei 3)

Die Puzzleteile werden durch vorhandene Tuberkel schlechter erkennbar.
Dominik
Manfrid
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Manfrid »

Anagallis hat geschrieben: Di Aug 01, 2023 8:58 pmIch experimentiere gerade mit einseitiger Beleuchtung und den Lackabrücken
Soll doch keiner was gegen taxonomische Haarspalterei sagen! Bestens geeignet zur Anregung des Erfindungsgeistes...
Nein, nein, ich habe gar nichts gegen genaue Beobachtung. Hauptsache, man weiß, wofür. Nachher ohne geklärtes Artkonzept, aber dafür umso autoritativer darüber zu bestimmen, "ob es sich jetzt um 'gute Arten', Varietäten oder was auch immer handelt", wäre in der Tat ein Bisschen wenig.

Manfrid
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Anagallis
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Anagallis »

Die Frage "wofür?" ist ganz einfach beantwortet: Es geht hier um Vorarbeiten für die Kritischen Bände der Flora Germanica. Das Portulaca oleracea agg. kommt da nicht grundlos hinein. Die Flora Germanica faßt nur den aktuellen Kenntnisstand zusammen und versucht nicht, irgendwelche Namen festzuschreiben oder zu tilgen. Dafür muß man sich zwangsweise für eine Bezeichnung entscheiden, und sei es nur, damit man sie im Index finden kann. Das bedeutet nicht, daß man sich die Sichtweise der jeweiligen Autorin zu eigen macht.
Dominik
Kraichgauer
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Kraichgauer »

Die Frage, wie man mit apomiktischen Sippen umgeht und ob man die nun als vollgültige Arten behandelt, ist seit 200 Jahren nicht wirklich geklärt und steht auch weiterhin im Raum.
In letzter Zeit gehen aber zunehmend Experten dazu über, auch die apomiktischen "Kleinarten", "Mikrospezies" bzw. "Lokalsippen" als vollgültige Arten anzuerkennen, denn das sind sie formal sehr wohl. Und genetisch kann man sie durchaus auch unterscheiden, seit man verfeinerte Methoden hat. Die Schwierigkeit ist dagegen weiterhin, sie von unstabilisierten Rezenthybriden zu unterscheiden.

Gruß Michael
Manfrid
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Manfrid »

Kraichgauer hat geschrieben: Mi Aug 09, 2023 2:49 pm vollgültige Arten ... sind sie formal sehr wohl.
Verrätst du uns noch die Formalität, nach der du da gehst (um besagten Verdacht des Autoritären abzuwenden)? Kreuzungsbarriere Apomixis? "Genetische" Unterscheidbarkeit?
Kraichgauer
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Re: Aufruf zur Kartierung von Portulak

Beitrag von Kraichgauer »

Du hast es doch selber geschrieben. Beides. Apomiktische Kreuzungsbarrieren und Fortpflanzung gekoppelt mit einer genetischen Mindestdistanz. Gruß Michael
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