Sadlers Flockenblume

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Andreas Melzer
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Sadlers Flockenblume

Beitrag von Andreas Melzer »

Hallo zusammen,
keine Rarität und auch keine Augenweide, aber dennoch seien ein paar Gedanken dazu gestattet:
Centaurea scabiosa subsp. sadleriana.
Beheimatet ist die Sippe in der pannonischen Steppenwiesen und dort angeblich sehr dominant. Weil besagte Steppen sicher noch nicht bis Nordsachsen ausstrahlen, haben die hiesigen erheblichen Bestände eine andere Ursache. Offenbar hat das hiesige Landkreis günstig einen großen Sonderposten erworben, um Straßen- und Wegränder und sonstwas zu begrünen.
Hier im Umfeld des Flughafens Schkeuditz:
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In der Bergbaufolgelandschaft, jetzt teilweise NSG, kam diese Flockenblume auch zum Einsatz. So weit ich das beurteilen kann, gab es relativ schnell (2 Jahre) einen starken Rückgang durch Verdrängung. Das non plus ultra ist das alles also nicht. An sonnigen Standorten besteht übrigens eine starke habituelle Ähnlichkeit mit Centaurea scabiosa subsp. scabiosa (mein erster Gedanke). Schattenblätter sind viel weniger fein gefiedert, manchmal nur minimal oder überhaupt nicht und dann lediglich spindelförmig. Zwei Belege mit solchen Blättern:
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Die wissenschaftliche Historie verlief nicht ohne Reibungen zwischen verschiedenen honorigen Botanikern des 19. Jahrhunderts. Beschrieben wurde die Sippe als Centaurea Sadleriana durch Viktor Janka von Bulcs (1837-1890), angeblich im Jahr 1878 (JANKA 1878). Im selben (ungarischen) Text verwies er jedoch sehr konkret darauf, dass seine Art bereits im 12. Band der wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Akademie auf Seite 178 enthalten sei (JANKA 1875). Einzelne Aufsätze besagten Bandes sind separat im Jahr 1875, der komplette Band im Jahr 1876 veröffentlicht worden, wie dem Vorwort zu entnehmen ist, auf alle Fälle noch vor 1878. JANKA (1875) enthält neben der fast identischen Diagnose einige Anmerkungen, zum Beispiel "Ex aliis terris nondum vidi" [Aus anderen Ländern noch nicht gesehen]. Der Zwist über das Artrecht entzündete sich beinahe augenblicklich.
Den Auftakt machte Vincze von Borbás (1844-1905) mit einer längeren Stellungnahme (BORBÁS 1876), in welcher er u. a. Jankas Art rundheraus ablehnte und überdies meinte "Jankának úgy látszik nincs is semmi szilárd elve" [Janka scheint keine festen Prinzipien zu haben]. Solche Schmähungen missfielen dem Rezensenten "H." (ANONYMOS 1876: 206), welcher beklagte "dass wir den gereizten Ton und die gar zu oft wiederholten gehässigen Ausfälle gegen V. v. Janka im gegenwärtigen Aufsatze keineswegs billigen können". BORBÁS (1876: 424) wiederum erklärte später kurz und bündig "Über Centaurea Sadleriana braucht man nicht viel zu streiten...".
Auch Josef Armin Knapp (1843-1899) erschien Jankas Spezies suspekt, denn er schrieb in einer Rezension zu einem Aufsatz seines Kollegen Moritz Staub (1842-1904) "doch geht der Verfasser zu weit, wenn er die streitige Centaurea Sadleriana Janka ohne weiteres aufnimmt" (KNAPP 1876: 384). Dies wiederum veranlasste den Kritisierten zu einer umfänglichen Replik (STAUB 1876), welche in der Aussage gipfelte "so viel über die zweifelhafte Echtheit der C. Sadleriana, über die ferneren Entgegnungen und Einwürfe ... wird wohl Herr v. Janka selbst sich in Kürze äussern." Aus der avisierte Kürze wurden allerdings rund zwei Jahre in Form des bereits erwähnten Artikels JANKA (1878).
Die deutschen Botaniker Paul Friedrich August Ascherson (1834-1913) und Carl Otto Robert Peter Paul Graebner (1871-1933) etablierten schließlich die Sippe am Ende des Jahrhunderts ohne sonderliche Begründung als Unterart von C. scabiosa und verwiesen bereits damals darauf, sie sei "oefter eingeschleppt" (ASCHERSON & GRAEBNER 1899). Bei dieser systematischen Einordnung ist es bis heute geblieben. Molekularbiologische Untersuchungen, welche die Position im Komplex scabiosa endgültig klären könnten, stehen jedoch momentan noch
aus.

ANONYMOS (1876): Rezension zu Észrevételek és phytographiai megjegyzések Janka Victor "Adatok Magyarhon délkeleti flórájához stb." czimü czikkére, Dr. Borbás Vinzre tanártól. Österreichische botanische Zeitschrift 26: 206.
ASCHERSON, P, GRAEBNER, P. (1898-99): Flora des Nordostdeutschen Flachlandes (ausser Ostpreussen). 5. Lieferung. Berlin: Gebrüder Borntraeger.
BORBÁS, V. (1876): Észrevételek és phytographiai megjegyzések Janka Victor "Adatok Magyarhon délkeleti flórájához stb." czimü czikkére. Separatabdruck. Mathematikai és Természettudományi Közlemények 13: 25-58.
BORBÁS, V. (1876): Correspondenz. Österreichische botanische Zeitschrift 26: 424-425.
JANKA, V. (1875): Adatok Magyarhon délkeleti flórájához, tekintettel dr. Borbás jelentésére. Mathematikai és Természettudományi Közlemények 12: 153-187.
JANKA, V. (1878): Centaurea Sadleriana Janka. Természetrajzi Füzetek kiadja a Magyar nemzeti Muzeum 2: 142-143.
KNAPP, J. A. (1876): Staub, Moritz. Zusammenstellung der in Ungarn im J. 1874 ausgeführten phyto- und zoophaenolog. Beobachtungen. Österreichische botanische Zeitschrift 26: 374.
STAUB, M. (1876): Ist Centaurea Sadleriana Janka strittig oder nicht? Österreichische botanische Zeitschrift 26: 408-410.

Wer sorgt denn eigentlich für diese merkwürdigen Saatmischungen, also z. B. auch die unsäglichen Wiesenknopf-Esparsette-undnochwas-Mixturen? Für die rasche Begrünung von Böschungen etc. ist das ja halbwegs passabel, aber im Naturschutzgebiet finde ich das total fehl am Platz. Ähnlich denke ich über Blühstreifen und Schmetterlingswiesen (Kornblume, Cosmos etc.), die mit viel Mediengetöse angelegt werden, weil offenbar Schwärme halbverhungerter Falter durch die Gegend marodieren und dringend Kalorien brauchen. Dümmer geht nimmer.
Beste Grüße,
Andreas
PS.: Ich hoffe, die Bestimmung ist richtig.
Spinnich
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Re: Sadlers Flockenblume

Beitrag von Spinnich »

Hallo Andreas,

zu deiner Bestimmung kann ich nichts beitragen, aber deine Bewertung von Aussaaten von Blühmischungen im Grünland womöglich gar mit Arten, die sich dort ausbreiten, noch dazu in Naturschutzgebieten, das ist echt absurd und ich meine auch strafbar.

Bei Renaturierungen sind nur Standort typische Pflanzen und -Sippen zulässig.
08/15 Blühmischungen kann man immerhin als Nektarquelle im Garten aussähen, dort sind ja ohnehin kaum heimische Pflanzen vertreten.
Zumindest polylektische Arten können auch davon profitieren.
Bei Verteilung von uninspiriert zusammengestellten Blühmischungen z. B. durch Gemeinden sollte man das ruhig mal öffentlich kritisch hinterfragen, z. B. Leserbrief, bei Ausbringung in Naturschutzgebieten das bei der UNB anzeigen und ggf. deren Eingreifen auch einfordern.

LG Dieter
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Anagallis
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Re: Sadlers Flockenblume

Beitrag von Anagallis »

Andreas Melzer hat geschrieben: Sa Aug 12, 2023 7:15 pmOffenbar hat das hiesige Landkreis günstig einen großen Sonderposten erworben, um Straßen- und Wegränder und sonstwas zu begrünen.
Das ist das "autochthone" Saatgut, das seit einigen Jahren nur noch verwendet werden darf. ;-)
Dominik
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