Teucrium x lucidrys Bestimmung?

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Kraichgauer
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Teucrium x lucidrys Bestimmung?

Beitrag von Kraichgauer »

Hallo zusammen,

durch den Einwurf von Uwe in der Kategorie "Bemerkenswerte Funde" bin ich überhaupt erst darauf aufmerksam geworden, dass die Gärtner Teucrium x lucidrys (= lucidum x chamaedrys) unter "Wintergrüner Gamander" verkaufen. Ich habe von den Bildern der Gartenhandlungen her den Eindruck, dass alles, was ich bisher als "chamaedrys-Zuchtsippe" in unserer Straße betrachtet habe, dieser lucidrys sein könnte, zusammen mit einem als "chamaedrys" gekauften Exemplar bei mir im Garten.
Wie unterscheidet man denn die beiden zuverlässig? "Wintergrün" hoffe ich, ist nicht das Einzige...

Das, was ich im Garten habe, unterscheidet sich vom wildwachsenden T. chamaedrys durch
- dickfleischige, dunkel(fast bläulich)grüne Blätter
- schmaleren Gesamtumriss der Blätter
- stärker randlich eingeschnittene Blätter (was ich für die „f. germanicum“ hielt).
- viel (!) längere Triebe sowie allgemein größeren, "sukkulenteren" Habitus
- tiefere rosaviolette Blütenfarbe
- nach Stace kurze Stängelbehaarung und
- fehlende (unterirdische) Ausläufer.

Die Abbildung von "f. germanicum" auf S. 1224 in der FG bezieht sich möglicherweise auch auf diesen lucidrys, obwohl ich sie damals in Brandenburg gemacht hatte, allerdings kultiviert im Garten von Prof. Prasse. Laut Prasse handelt es sich dabei um eine Gärtnereiware, die vor seiner Zeit gepflanzt worden war.

Danke und Gruß, Michael
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Anagallis
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Re: Teucrium x lucidrys Bestimmung?

Beitrag von Anagallis »

Boom hat die Pflanze 1957 in den Niederlanden beschrieben. Das zugehörige PDF gibt's hier:
https://core.ac.uk/download/pdf/29396551.pdf

Maschinelle Übersetzung (in beeindruckender Qualität, "KI" ist doch zu was gut.):
Diese häufig kultivierte Pflanze wird in unseren Kulturen seit langem als T. chamaedrys geführt und wurde nie als eigenständige Form anerkannt. Ihr Ursprung liegt im Dunkeln. Vermutlich stammt die Pflanze aus den Niederlanden, denn im Ausland ist sie selten zu finden, und wenn man sie findet, kann man immer nachweisen, dass sie aus den Niederlanden stammt. In den Vereinigten Staaten scheint die Pflanze heute recht verbreitet zu sein, wenn man die Anzeigen in der 'American Nurserym a n ' betrachtet; aus der oft gegebenen Beschreibung kann man schließen, dass sie zweifellos die Hybride meint.

Die Pflanze ist auch in keinem der großen Herbarien zu finden; weder in London, Kew, Paris noch in Brüssel kommt sie vor. Sie kommt in den Niederlanden vor, denn in Amsterdam gibt es im Herbarium der Städtischen Universität ein kleines Stück, das 1899 im Amsterdamer Hortus gepflückt wurde. Dies ist die älteste Quelle, die ich finden konnte. Auch in der Literatur wird es nirgends erwähnt, und nirgends ist ein Bild zu finden. Es ist wirklich seltsam, dass eine so bekannte Pflanze immer noch unbeschrieben bleibt.

Zunächst dachte ich, ich hätte es mit einer Form von T. chamaedrys zu tun, die sich durch sehr kurze Triebe, hohen Wuchs und glattrandige Hüllblätter unterscheidet. Aber sie passt nicht in die Variabilität von T. chamaedrys und außerdem ist die Pflanze steril, was auf eine mögliche Bastardnatur hinweist.

Die einzige Pflanze, die neben T. chamaedrys an der Hybridisierung teilnehmen konnte, ist T. lucidum, eine Pflanze, die hier und da in den Niederlanden angebaut wird. Von dieser Art, die sich in vielerlei Hinsicht kaum von T. chamaedrys unterscheidet, hat die Hybride die Wuchsform und die hauchdünnen Hüllblätter.

Aufrechter Strauch bis 60 cm mit sehr kurzen Trieben; Zweige weiß und abstehend behaart; Blattspreiten 10-15 X 7-10 mm, oval, ziemlich tief, stellenweise doppelt gesägt, oberseits mäßig, unterseits dicht behaart, Basis keilförmig in den kurzen, schmal geflügelten Stiel eingeschnürt; Blütenstand bis 20 cm lang, bestehend aus einer ziemlich großen Anzahl ziemlich dicht angeordneter pseudorandomischer Quirle, die von schmalen, glattrandigen (die unteren sind manchmal leicht gesägt) Hüllblättern getragen werden, deren Ränder meist leicht eingerollt sind; Kelch ± 7 mm, meist purpurn, behaart, mit spitzen Zähnen; Krone ± 1 cm lang, leuchtend rosa, auch weiß behaart (Abb. 14).1)

Typus im Rijksherbarium Leiden, Koll. Tree, Nr. 29971, Maastricht, de Beyart, 5.8.1955.

Diese in den Niederlanden als T. chamaedrys kultivierte Pflanze ist noch nicht beschrieben. Es handelt sich zweifellos um eine Hybride zwischen T. chamaedrys und T. lucidum, die sich von der ersteren durch den aufrechten Wuchs [bis 60 cm), die sehr kurzen Ausläufer und die ganzen Hüllblätter unterscheidet, von der letzteren durch die eher dichte Behaarung und die kurzen Ausläufer. Die Pflanze ist steril und die Herkunft ist unbekannt: Der älteste Nachweis stammt aus dem Jahr 1899 [Hortus botanicus Amsterdam].
Dominik
Kraichgauer
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Re: Teucrium x lucidrys Bestimmung?

Beitrag von Kraichgauer »

Also mittlerweile hat sich der Fall zumindest lokal geklärt. Sowohl die bei uns in der Siedlung massenhaft an den Straßenrändern gepflanzten Exemplare als auch dasjenige in meinem Garten passen perfekt auf die Beschreibung von Teucrium x lucidrys.
Einerseits schade, weil mal wieder ein Gartenhybrid und nicht eine WIldart; andererseits klären sich damit viele Fragen. Danke nochmals an Uwe für den Hinweis - ich wäre selber nie draufgekommen.

Leider ist auch das Bild von "f. germanicum" in der FG falsch, die Vermutungen oben treffen zu. Prasse hatte den von seinem Vorgänger "geerbt", und ich war davon ausgegangen, er hätte die Wildart nachgezogen.

Gruß Michael
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