Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Bestimmungsanfragen für europäische Wildpflanzen.
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abeja
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Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Beitrag von abeja »

Hallo,
Peter hat mich mit der Gegenüberstellung von Viburnum-Blättern: Viburnum lantana, V. rhytidophyllum und Viburnum x rhytidophylloides hier auf eine Idee gebracht. Möglicherweise habe ich aus der Distanz etwas falsch "bestimmt".
Die Hybride habe ich bewusst noch nie gesehen und ich habe sie auch "gar nicht auf dem Schirm", in den Bestimmungsbüchern wird sie nur ganz knapp erwähnt. V. lantana kommt hier wild vor, V. rhytidophyllum steht häufiger (eindeutig) in Gärten etc.. Im weiteren Umfeld (Nachbarquadranten) habe ich die Pflanze auch schon mal verwildert im Wald gesehen.

Kommt diese Hybride bisher nur in Gärten und Parks vor oder könnte man sie auch im "Bahndammgebüsch" finden? Sind auch Hybriden bekannt, die bei uns in der Natur entstanden sind?
Ich bin bisher - vielleicht fälschlicherweise - davon ausgegangen, dass die Pflanzen am Bahndamm "Wildwuchs" sind. Aber zumindest zum Teil wurden sie vielleicht auch mal angepflanzt? Ich habe dort immer nur einheimische Gehölze (bewusst) wahrgenommen. Ich fand jetzt aber ein Dokument (aus Österreich), da ging es um eine neu angelegte Bahndammbepflanzung, um Lebensraum für Vögel zu schaffen. In der Artenliste ist Viburnum lantana mit genannt. https://www.birdlife.at/web/binary/save ... t&id=57602

Bei mir vor Ort ist eine Umgehungsstraße geplant bzw. zum Teil im Bau, ganz in der Nähe der Bahngleise. Daher hat man vor einiger Zeit den Bewuchs des Bahndammes (aus der Erinnerung alles ganz normale Bäume und Sträucher, die bei uns auch wild vorkommen) radikal "bodennah" abgesäbelt. Inzwischen sind diese Pflanzen aus dem Wurzelstock zum Teil extremst ausgetrieben und zeigen nicht unbedingt die typische Wuchsform und auch zum Teil veränderte Blattformen und extreme Blattgrößen. Damit hatte ich bei Baumkunde ein Rätselchen fabriziert: Total normales Rätsel
Darunter war auch ein Schneeball, den ich für V. lantana hielt. Allerdings waren die Blätter schon ein wenig anders, was ich aber auch wegen der Wuchsbedingungen für möglich hielt. An Zierformen hatte ich überhaupt nicht gedacht, bzw. andere, mir bekannte seltenere Viburnumarten ausgeschlossen. Man kommt auch nicht ganz nah heran.
Im Ausschnitt genauer hingeschaut: die Blätter wirken etwas runzeliger und +/- glattrandig.

Ist das die Hybride? Ich vermute es nun ...

Übersicht (allgemein)
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Viburnum.jpg
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Ausschnitt aus der 100-Proz.-Ansicht
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Viele Grüße von abeja
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abeja
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Re: Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Beitrag von abeja »

Wenn dieser "komische" Bahndammbereich noch etwas länger so bestehen bleibt (was im Moment so aussieht), dann werde ich im Spätherbst feststellen können, inwieweit Blätter hängen bleiben. Die Hybride wäre (halb)-immergrün, da müsste man doch einen deutlichen Unterschied zu V. lantana festmachen können.
Viele Grüße von abeja
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botanix
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Re: Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Beitrag von botanix »

Hallo abeja,
die Blattform und die starke Runzligkeit der Blätter deutet schon auf die Hybride. Mit so starken Stockausschlägen habe ich noch nicht vergleichen können. Die von mir gefundenen jungen Sträucher wuchsen alle in einer alten Hainbuchenhecke, eher absonnig. Aber ich denke es wird für dich kein Problem sein im Ort Blätter der Elternarten für einen Vergleich zu finden.
Die Blätter von lantana kamen mir relativ weich vor, während die Hybride und rhytidophyllum sich deutlich derber anfühlten, das zeigt sich am Foto natürlich nicht. Die stärkere Nervatur deutet schon darauf hin.
Die Hybride kannte ich auch erst, seit W. B. Dickore meine Cotoneaster Fotos vor 10 Jahren revidierte. Auf der CD waren noch ein paar andere Sträucher mit dokumentiert. Für unser kleines Kartiergebiet war es der dritte Fund, aber auch mein Blick ist noch nicht so darauf geschärft. Die Sträucher in der alten Hainbuchenhecke waren verwildert, aber möglicherweise wird die Hybride auch über Baumschulen verbreitet?
Gruß
Peter
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abeja
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Re: Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Beitrag von abeja »

Hallo Peter,
danke für deine Einschätzung. Vergleichsblätter "in echt" der beiden reinen Arten zu finden, ist eigentlich kein Problem solange noch Blätter an V. lantana sind (habe kein Exemplar "vor der Nase"). Ich habe im Moment nicht in Erinnerung, inwieweit die mutmaßliche Hybride erreichbar war, ohne tief ins "Gestrüpp" zu klettern, worauf ich gerne verzichte. Auf dem Bild sieht es ja doch so aus, als müsse man ohne große Probleme herankommen können.

Falls Bahndammgebüsche angepflanzt werden, dann könnte ich mir denken, dass die Hybride da "versehentlich" hingekommen ist und V. lantana geplant war. Das hört man ja immer wieder, dass die Pflanzen im Handel nicht ganz korrekt benannt sind - vor allem, wenn sie so ähnlich sind.
Viele Grüße von abeja
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Anagallis
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Re: Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Beitrag von Anagallis »

abeja hat geschrieben: Fr Nov 03, 2023 9:45 pm Falls Bahndammgebüsche angepflanzt werden
Natürlich werden die gepflanzt.
Dominik
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abeja
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Re: Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Beitrag von abeja »

Na denn ...
bei einer neuen Bahnlinie oder allgemein nach Bauarbeiten kann ich mir das gut vorstellen.
Wenn aber die Gleise da schon seid "Ewigkeiten" sind, dann weiß ich nicht, was sich da natürlich angesiedelt hat und wo vor x Jahren "gestaltend" eingegriffen wurde.
Für mich war das bisher wie ein beliebiger Gebüschsaum, wo ich +- von Wildwuchs ausgehe.
Viele Grüße von abeja
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Anagallis
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Re: Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Beitrag von Anagallis »

Wildwuchs an deutschen Verkehrswegen? Ich bitte Dich. ;-)
Dominik
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abeja
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Re: Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Beitrag von abeja »

Alles ist möglich ... ;)
Wie oben in dem PDF aus Österreich steht, da geht es um Bahndämme nach Umbauarbeiten. Vorher waren die "Bahndämme mit Sträuchern bestockt", dann gerodet und regelmäßig gemulcht. Da wurde eine Neubepflanzung im siedlungsnahen Bereich geplant.
Auch zu dem Straßenbauvorhaben hier im Ort habe ich ein längliches Dokument gefunden, darin "Ausgleichsmaßnahmen", "Biotopvernetzung" usw.

Allgemein:
Die Bahnunternehmen betreiben "Vegetationsmanagement". Da geht es hauptsächlich um die Sicherheit des Bahnbetriebes, dafür wird ab Gleismitte 6 m nach rechts und links alles freigehalten und der weitere Bereich wird bei Bedarf "durchforstet", d.h. sturmanfällige Bäume sollen identifiziert und entfernt werden, sowie "stabile, standortgerechte Bäume und Gehölze unterstützt" werden. Ein großer Teil der dt. Bahnstrecke hat Vegetation am Rand (las ich in dem Zusammenfang, finde die exakte Stelle aber nicht mehr).
Aus "Grün an der Bahn"
https://www.deutschebahn.com/de/presse/ ... nt-6854346?

Eine Bachelor-Arbeit hat "Die Bedeutung von Bahnanlagen für die Trockenrasenvegetation Neubrandenburgs" zum Thema.
Da geht es primär um andere Pflanzen, zudem in einer anderen Region.
https://digibib.hs-nb.de/file/dbhsnb_th ... n-2021.pdf
Daraus:
... Ebenso befinden sich neophytische Gehölze in regelmäßigen Abständen. Die markantesten sind Acer negundo, Ailanthus altissima, Parthenocissus quinquefolia, Prunus serotina und Syringa vulgaris. Jedoch auch heimische Gehölze finden ihren Weg in die Eisenbahnflora.
Gehölze, meist Pioniere auf diesem Standort, kommen häufig im Keimstadium auf. Beim Aufwachsen werden sie durch die mechanische Belastung der Züge geschädigt, sodass kleinwüchsige Krüppelformen entstehen. Bei den Sträuchern sind Cornus sanguinea, Euonymus europaeus, Prunus spinosa und die Scheinsträucher Rubus caesius sowie R. fruticosus agg. vertreten. Bei den Bäumen findet entlang der Strecke ein Aufwachsen von Acer platanoides, seltener A. pseudoplatanus, Betula pendula, Quercus robur und Salix caprea statt. Punktuell sind auch Pinus sylvestris und Populus-Spezies darunter, wie beispielsweise Espen (Populus tremula). Kleinere Pionierwälder wachsen gelegentlich entlang der Strecke auf. ... Durch die Nähe zu den Gärten kommen hier vermehrt verwilderte Zier- und Nutzpflanzen vor. ....
Im Weiteren wird im Text noch auf die Besonderheiten der Geländeeinschnitte und etwas weiter vom Gleis entfernte Standorte eingegangen, jedoch nicht explizit in Bezug auf Bäume und Sträucher. Diese müssten da aber besser, d. h. weniger krüppelig wachsen.
Viele Grüße von abeja
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abeja
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Re: Viburnum x rhytidophylloides im Bahndammbewuchs?

Beitrag von abeja »

Zu spät!
So kann es gehen! :shock:
Da wollte ich noch mal nach diesem fraglichenSchneeball schauen, aber nun ist dieser Weg von allen Seiten komplett wegen Bauarbeiten abgesperrt. Eine absolut sichere Bestimmung wird es also vermutlich nicht mehr geben, nur eine - etwas - unsichere. ;)

Am selben Tag machte ich nämlich ein paar Fotos von Viburnum lantana- und Viburnum rhytidophyllum-Blättern (obwohl letztere ja ganz eindeutig sind).

Viburnum lantana
Die Wolligen Schneebälle stehen recht "ungepflegt" und etwas zerrupft aussehend am Rande einer kleinen Straße, oberhalb von Häusern. Die Blätter wurden zum Teil schon etwas gelblich/ rötlich.
Es sind auf jeden Fall laubabwerfende Sträucher, weil ich sie im komplett nackten Winterzustand kenne.

Auffällig waren jedoch die sehr unterschiedliche Größe der Blätter (bis zu 17 cm Blattspreitenlänge) und Blattdicke (beim Anfühlen), unterschiedlich ausgeprägte Runzeligkeit und Behaarung im frischen Zustand vor Ort. Leicht gepresst über Nacht glich sich das Erscheinungsbild/ Gefühl beim Anfassen ein bisschen an.

Die größten Blätter waren am wenigsten runzelig, fühlten sich am dünnsten an und waren auf der Oberseite nur noch minimal behaart, wirkten aber immer noch deutlich matt.
Jeder Strauch hatte ein paar Blätter, die sehr runzelig aussahen und sich auch so anfühlten (mittlere Größe).
An mehreren Stellen müssten die Sträucher noch im Spätsommer Blätter nachgeschoben haben, das sind auf der Übersicht die kleinsten Blätter links unten: sehr weich, sehr flauschig, sehr behaart.
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Viburnum rhytidophyllum
Blätter von 2 verschiedenen Sträuchern, einer mit durchwegs großen Blättern (bis 20 cm Blattspreitenlänge), einer mit deutlich kleineren Blättern, Oberseiten runzelig, dunkel und hochglänzend.
Viburnum rhytidophyllum-a_11-2023.jpg
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Viburnum rhytidophyllum-d_11-2023.jpg
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Bei treesandshrubsonline gibt es gute Beschreibungen und Bilder von V. lantana und rhytidophyllum. Auch dort wird die Hybride nur erwähnt ...
Sie soll angeblich oft zwischen Sämlingen unter V. rhytidophyllum zu finden sein, wenn V. lantana in der Nähe ist.
https://www.treesandshrubsonline.org/ar ... m-lantana/ (Es wird auch eine etwas runzeligere Form von V. lantana erwähnt.)
https://www.treesandshrubsonline.org/ar ... dophyllum/ (Da etwas zu der Hybride.)

Im Handel gibt es von der Hybride ein paar Kultivare, meist nur bei Händlern mit Abbildungen.
Nur hier ein paar detailliertere Fotos (auch einzeln anwählbar).
https://plants.ces.ncsu.edu/plants/vibu ... hylloides/

Man sieht gut die Runzeligkeit der Hybride, die Blätter sind farblich etwas heller als bei V. rhytidophyllum, aber die Oberseite ist auch bei der Hybride sehr glänzend, also vermutlich unbehaart. Das konnte man auch auf allen Händlerfotos so mehr oder weniger erahnen. Vor allem junge, kleine Blätter sind eventuell etwas heller (im Frühjahr), aber eher gelb-grün mäßig glänzend.

Bei meinem seltsamen Strauch oben wirken alle Blätter matt (und in etwa so runzelig wie bei den gesammelten Blätter von V. lantana die aller-runzeligsten Exemplare). Dass man keine deutliche Sägung am Blattrand sieht, liegt vermutlich an der Entfernung und weil die Blätter leicht gewölbt sind. Auch bei meinen V. lantana-Proben war das nicht immer gut am Strauch feststellbar, am besten am liegenden Blatt von unten betrachtet. Jeder feinste Blattnerv endet in einem Zähnchen.
Vor allem die jüngsten Blätter ganz oben sind oberseits sehr deutlich flauschig behaart. Sie wirken fast grau aus der Entfernung.

So etwas spricht meiner Meinung nach eindeutig (doch) für Viburnum lantana, den Wolligen Schneeball.
Viele Grüße von abeja
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