Weißblühende Pflanze, Insel Formentera (Balearen)

[Ulf Meyer]

Hallo!
Auf der Insel Formentera/Pityusen (Balearen) fand ich am 15.3.20 eine dikotyledone Pflanze mit 3-zähligrn Kronblättern. Der Standort war ein seit mindestens 50 Jahren unbebautes Grundstück mit lockerem Trockenrasen auf flacher Bodenschicht über Kalkstein, lückig bewachsen mit Juniperus phoenicea, Pistacia lentiscus, Asparagus horridus und Rosmarinus officinalis, vermutlich früher extensive Schafbeweidung. Ich finde nicht heraus, was es ist.
Grüße, Ulf

[Kraichgauer]

Schau' mal bei der Gattung Mercurialis - kannst Du hier schlüsseln: http://www.mittelmeerflora.de/Zweikeim/ ... zweigt.htm. Nach dem Schlüssel ist das weibliches M. annua. Gruß Michael

[Ulf Meyer]

Hallo!
Interessant! Ich hatte bisher immer flüchtig darüber hinweggelesen, daß es außer dem uns schon als Kindern wohlbekannten Waldbingelkraut noch mehr Arten der hochinteressanten Gattung Mercurialis gibt, und daß die Balearen im Bereich des Verbreitungsschwerpunkts der Gattung liegen. Danke, Michael!
Grüße, Ulf

[Kraichgauer]

Nicht nur auf den Balearen! M. annua ist hier im Südwesten von Deutschland ausgesprochen häufig und ein echtes Acker- und Gartenunkraut (z. B. auf praktisch jedem Spargel- oder Rübenacker), im Norden dagegen selten oder fehlt ganz. Wir Südwestler können uns gar nicht vorstellen, dass jemand so was "Triviales" nicht kennt und wundern uns auf Exkursionen im Norden über die Begeisterungsrufe, wenn sie mal gefunden wird.
Es ist auch erstaunlich, dass die Art sich nicht wie andere auf den beschleunigten Weg in den Norden gemacht hat, eigentlich hätte sie alle Voraussetzungen dafür.

Gruß Michael

[Maltus]

Hallo Michael,
Begeisterungsrufe würdest du auch im bayerischen Schwaben hören, denn bis auf ein paar randliche Funde (Rain am Lech) scheint es Mercurialis annua bei uns nicht zu geben. Ich habe sie dort auf keiner meiner Touren gefunden, lediglich im Fränkischen (Schweinfurt, Coburg, Münchberg) ein paar Mal.
Freundliche Grüße
Georg

[Ulf Meyer]

Hallo Michael und Georg,
meine Begeisterungsrufe kommen daher, daß die Pflanze auch für mich neu war. Ich lebte bis jetzt in Oberbayern, wo nach den Verbreitungskarten M. annua zwar vorkommt, aber nur lückenhaft, bisher war ich ihr nie begegnet.
Die Verbreitung der Samen soll bei M. annua so erfolgen, daß sie von der Pflanze fortgeschleudert, von Ameisen aufgefunden und zu Bau getragen werden, aber erst dann keimen, wenn der Ameisenbau durch Prädatoren oder Überschwemmung u.ä. zerstört wird. Nicht lange bevor ich die Pflanze auf Formentera fand, war wenige Meter entfernt eine Trockenmauer eingestürzt und wieder aufgerichtet worden, das könnte hier das Störereignis gewesen sein.
Gruß, Ulf

[Anagallis]

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© 2016 - Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart

[Kraichgauer]

Das mit der Ausbreitung nach Norden scheint sich zumindest stellenweise zu ändern: die Karte in Floraweb (https://www.floraweb.de/webkarten/karte.html?taxnr=3690) zeigt sie im südöstlichen NIedersachsen als flächendeckenden Neubürger. Das könnte aber auch an einer anderen Bewertung in der Niedersachsen-Kartierung liegen.

Interessant sind übrigens auch die phytophagen Käfer: beide Arten beherbergen jeweils eine eigene, zumindest hierzulande monophage Blattkäferart. Während Hermaeophaga mercurialis an Mercurialis perennis weit verbreitet und häufig ist, ist Hermaeophaga cicatrix an Mercurialis annua in D nur von einem dubiosen Altfund bekannt und erst neuerdings im Elsass gefunden worden. Das spricht eigentlich dafür, dass Mercurialis annua sich erst in relativ neuerer Zeit in Deutschland ausgebreitet hat und "ihren" Käfer noch nicht mitnehmen konnte.

Gruß Michael