Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera? --> Polygala amarella

Bestimmungsanfragen für europäische Wildpflanzen.
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Bitte immer den Fundort (Land, Stadt, Habitat etc.) und das Funddatum angeben. TIPP: Je mehr Detailbilder ihr von einer Pflanze zeigt, also zum Beispiel Gesamtaufnahme der Pflanze, Blatt + Blüte von oben und unten, Stängel unten + oben, Früchte oder weiteres, desto größer ist der Bestimmungserfolg im Forum.
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abeja
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Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera? --> Polygala amarella

Beitrag von abeja »

Hallo,
kleiner, netter persönlicher Erstfund :)
Polygala vulgaris ssp. oxyptera, Spitzflügeliges Kreuzblümchen, stimmt doch?
Gestern auf dem Friedhof am Hörnli (Riehen/Basel) an der Grenze zu Deutschland, winzige Exemplare.

Mit der Beschreibung der Beschaffenheit des Fundortes habe ich Schwierigkeiten.
Normalerweise ist der Untergrund dort basisch, stark kalkhaltig (Hornfelsen). Hier wurde aber im oberen Bereich des Friedhofs eine ganz ebene Fläche künstlich angelegt, man sieht auch Sand "durchschimmern" - also dort vielleicht eher silikatisch/ sauer.
Die Fläche ist vollsonnig und wirkt sehr mager und trocken, wenig Bewuchs und wenn, dann niedrig (Thymian usw.)
Es sind aber auch kreisrunde leichte Vertiefungen angelegt, in denen sich manchmal Wasser sammelt.
Auf der gleichen Fläche (nahe bei den Kreisen) habe ich im Juli 2016 Centaurium pulchellum (erst- und einmalig) gefunden, die normalerweise lt. Literatur an Ufern und feuchten Wegrändern wächst und kalkliebend sein soll.

Standort bei 47°33'52.8"N 7°38'44.3"E

Das Kreuzblümchen wird als kalkmeidend beschrieben (... und hier wachsen die beiden Arten ein paar Meter auseinander.)

https://www.infoflora.ch/de/flora/polyg ... ptera.html (Fundort ist nicht kartiert in der Schweiz).
Schweizer ökologische Zeigerwerte: feucht/ stark wechselnde Feuchtigkeit/ sauer/ nährstoffarm

https://www.blumeninschwaben.de/Zweikei ... is_ssp.htm

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Anagallis
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Re: Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera?

Beitrag von Anagallis »

Kreuzblümchen sind mit Fotos sehr schwer zu bestimmen, aber ich meine, das ist Polygala serpyllifolia. An den vegetativen Trieben ist eine gegenständige Blattstellung zu erkennen. Am abgezwickten Trieb sieht man das leider nicht. Die Gattung hat die unschöne Angewohnheit, über dem Boden, oft unter Moos oder anderem Bewuchs zu kriechen und an anderer Stelle nach oben zu wachsen. Dann fehlen oft die unteren Blätter, und man findet keine "Pseudo"-rosette. Die Kronblätter sind auch nicht ganz weiß/grün, sondern auf Bild c himmelblau angehaucht. Das ist aber keine sichere Bestimmung; man müßte vor Ort nochmal nach Blättern buddeln.
Dominik
Kraichgauer
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Re: Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera?

Beitrag von Kraichgauer »

Hier ein paar Vergleichsbilder. Ich bin hin- und hergerissen, der Standort im Scherrasen ist vielleicht auch für den kurzen, dichten Habitus verantwortlich. Gefühlsmäßig tendiere ich aber ebenfalls zu serpyllifolia.

Gruß Michael
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Polygala vulgaris ssp oxyptera Hesselschneise Mörfelden D10.jpg
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Svampskogen
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Re: Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera?

Beitrag von Svampskogen »

An die eher ozeanisch verbreitete P. serpyllifolia mag ich im trocken-warmen Basel nicht wirklich glauben… aber wieso nicht einfach die häufige P. amarella? Dazu würde ja auch die beschriebene Winzigkeit der Pflanzen passen… Hast du keinen Geschmackstest der Blätter gemacht?
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abeja
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Re: Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera?

Beitrag von abeja »

Hallo,
danke für die Kommentare. Leider sehe ich so selten Polygala, dass ich die wesentlichen Merkmale nicht im Kopf habe. Daher keine Geschmacksprobe ...
Ein bisschen - aber nicht sehr intensiv - hatte ich nach Grundblättern und unteren Stängelblättern geschaut, da war mir nichts Besonderes aufgefallen (wenig Blätter unten). Man muss laut Schlüssel ja auch noch Längenmerkmale vergleichen (Tragblätter).
Im Moment erscheinen mir die Blätter für die ursprünglich angedachte Art nicht spitz genug und der Kelch (edit: Kelchflügel, d.h. die beiden freien Kronblätter) hat auch nur einen Nerv. Für P. serpyllifolia gefallen mir die Blätter auch nicht so sehr. P. amarella erscheint mir ein guter Vorschlag, ich wäre dann bei den Grundblättern falsch abgebogen.
Also noch mal gründlicher nachschauen....
Die Farbe war vor Ort nicht bläulich, ich hatte die Kameraeinstellung aber "zu warm", was ich im Nachhinein etwas ausgeglichen habe. Daher mag man an einem Bild einen Schimmer sehen, der entweder nicht da war oder den ich dort nicht gesehen habe. :?
Viele Grüße von abeja
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Anagallis
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Re: Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera?

Beitrag von Anagallis »

Nochmal zu den Grundblättern: Was im Schlüssel immer so genannt wird, sind keine Grundblätter. Dort wo der Trieb nach oben aus dem Unterwuchs aufsteigt, häufen sich die Stengelblätter, was wie eine Rosette aussehen kann. Das tun sie aber auch bei den "rosettenlosen" Arten, nur nicht so dicht. Auf die ganze Pflanzenlänge bezogen sieht das aus wie ein Baströckchen um die Hüfte.

Für die Bestimmung wichtige Merkmale sind:

- Geschmack sehr bitter -> amarella oder amara
- Sehr lang kriechende Ausläufer -> calcarea
- Blattstellung wenigstens im unteren Bereich gegenständig -> serpyllifolia
- Die "Rosette" oder deren fehlen, aber vor allem ob die "Rosettenblätter" groß und die Stengelblätter klein sind oder umgekehrt.
- Nervatur der Kelchflügel
- Anzahl der Zipfel an der Krone
- Länge und Form der Tragblätter. Die fallen sehr leicht ab. Oft muß man gezielt nach welchen suchen. (lang und schmal -> comosa)
Dominik
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abeja
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Re: Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera?

Beitrag von abeja »

Hallo allerseits,
wenn ich es kurz machen wollte: Die Blätter waren bitter (aber nicht extrem), also ist es Polygala amarella.

Aber weil ich es lang machen möchte, zeige ich ein paar Bilder. ;)

Noch zum Fundort im "trocken-warmen" Basel (heute sau-kalt ... mit Winterjacke, Schal und Stirnband passend angezogen).
Der Friedhof ist im westlichen Bereich flach, mit leichtem Anstieg über 2 Geländestufen und östlich vom Grenzacher Weg ansteigend bis zum Waldrand.
Das Gebiet wurde in mehreren Terrassen angelegt, der obere Bereich ist "wilder" (knapp 40 m Höhenunterschied).
Die Wiese wird sehr selten gemäht, soll nicht gedüngt worden sein seit über 50 Jahren. Das sagt WWF Region Basel in https://www.wwf-bs.ch/ausfluege-in-die- ... hornfelsen ... Wann dieser Artikel geschrieben wurde, ist unklar. Die dort erwähnten Orchideen wie Bienen-Ragwurz sind trotz intensiver Suche nicht auffindbar, vorhanden ist Neottia (Listera) ovata ganz oben direkt am Waldrand und einmal sah ich 1! Anacamptis pyramidalis auf einer offenen Wiesenfläche. Allerdings wurden in interessanten Ecken in den letzten Jahren auch vermehrt Gräber angelegt.

Der Teich am Fuß des Hanges war eine "Notlösung" und wurde erst in den 90er Jahren angelegt.
Es gibt nämlich so viel Grundwasser dort, dass Grabsteine in dem Bereich immer umfielen. 2018 hat man den Teich noch mal trockengelegt und den Untergrund neu gemacht. Von oben fließt in einem Betonbett kaskadenartig Wasser nach unten - aber nicht durchgehend (heute innerhalb von 90 Minuten: erst Wasser, dann trocken) - vermutlich wird das hochgepumpt und dann lässt man es wieder herunterfließen.

Der Fundort von Polygala amarella ist ganz oben, auf einer künstlich angelegten Aussichtsplattform.
Ich hatte im Startbeitrag die Koordinaten angegeben, bei Google-Maps sieht man auf dem sommerlichen Satellitenbild sehr schön den Unterschied im Bewuchs zu den anderen Flächen (selten gemähte Wiese).
Es hat sich auf diesem feinen Schotter ganz wenig Bewuchs angesiedelt (auch so Löwenzahn-Winzlinge, mit 3 cm langen Blättern, aber alle Merkmale von Sektion Ruderalia).
"Scherrasen" ist das nicht - obwohl ich nicht ausschließen will, dass die da einmal im Jahr mit dem Mäher drübergehen.
In diesen abgetrennten Kreisen steht manchmal etwas Wasser (heute nicht) und ringsum ist der Bewuchs etwas dichter.
Das "Weiße", was da am rechten Kreis blüht sind ganz einfach Bellis perennis.
Zwischendurch sieht man aber auch diesen nackten groben Sand/ feinen Schotter.

Die Blüten der Kreuzblümchen waren heute witterungsbedingt geschlossen, aber ich habe ein paar bis zur Wurzel freigelegt - die komplette Wuchshöhe ist 6-8 cm.
Es gibt keine Ausläufer, ich sah (zum Teil) "Grundblätter", die minimal größer waren als die folgenden Blätter. Der ganze Stiel ist beblättert - durchgehend wechselständig, nach oben hin werden die Blätter zum Teil wieder etwas größer.

In einem zweiten Teil kommen Detailaufnahmen, in der warmen Wohnung gemacht ...

Jenseits der weißen Wand beginnt der "wildere" Teil
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Friedhof am Hörnli-a.jpg (395.85 KiB) 1573 mal betrachtet
Künstlich angelegter Teich zur Regulation des Grundwasserstandes am Fuß des Hanges
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Friedhof am Hörnli-b.jpg (393.9 KiB) 1573 mal betrachtet
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Friedhof am Hörnli-c.jpg (401.52 KiB) 1573 mal betrachtet
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Friedhof am Hörnli-f_Ausschichtsplattform.jpg (352.45 KiB) 1573 mal betrachtet
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Polygala amarella-a.jpg
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abeja
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Re: Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera?

Beitrag von abeja »

2. Teil von heute mit den Detailbildern

Zu Hause habe ich die Pflänzchen kurz ins Wasser gestellt und für einen kurzen Zeitraum waren ein paar Blüten geöffnet.
Manchmal - aber nicht überall, sind die Ränder der freien Kronblätter leicht violett.
Die winzigen Vorblätter (jeweils 2) waren überall vorhanden, die Tragblätter unterhalb des Blütenstiels bei voll entfalteten Blüten meist abgefallen. Da wo man sie sieht, ist die Länge nur bei voll entfalteten Blüten kürzer als der Blütenstiel, bei knospigen Blüten eher länger als der Blütenstiel.

An den Flügeln sah man mit bloßem Auge nur die Mittelader deutlich. Mit Beleuchtung und Makrofunktion wurden auch die Seitenadern sichtbar, sie verbinden sich aber nicht mit der Mittelader.

Anhängsel (Krista) habe ich maximal 14 gezählt, die sind in ihrer Kleinheit (und weiß in weiß) nicht immer gut aufzulösen.

Die Fruchtkapseln (vermutlich zum Teil aber noch nicht ausgewachsen) waren ungefähr so groß wie die Kelchflügel (die beiden seitlichen freien Kronblätter).
Das passt dann auch alles zu Polygala amarella.

Mein ursprünglicher Verdacht hätte diese etwas größeren Blätter "untenherum" nicht (schwierig festzustellen) und wäre nicht bitter.
Ein gutes Merkmal sind auch die Nerven auf den freien Kronblättern, finde ich - hier sehr undeutlich und nicht verbunden, bei Polygala vulgaris im Bogen wieder am Mittelnerv landend.


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Anagallis
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Re: Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera? --> Polygala amarella

Beitrag von Anagallis »

Das mit der Blattgröße ist haarscharf an der Grenze zur Unbrauchbarkeit, aber die offene Kelchnervatur schließt die anderen genannten Arten aus. Du verstehst jetzt sicherlich, warum diese Gattung so eine Plage ist. :-)
Dominik
hegau
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Re: Kleine weißblühende Kreuzblume - Polygala vulgaris ssp. oxyptera? --> Polygala amarella

Beitrag von hegau »

Polygala vulgaris ssp. oxyptera hatte ich letztes Jahr mehrfach im mittleren Schwarzwald (Bereich Wolfach, Schiltach). Vorher hatte ich diese noch nie bewusst wahrgenommen.
Das auffälligste sind die ausgesprochen großen Blüten (auch deutlich größer als bei vulgaris s.str.). Daher kann eine als 'klein' titulierte Kreuzblume schonmal nicht diese Unterart sein.

Gruß Thomas
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