Sind auf natürlichem Wege wandernde Pflanzen heimisch?

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Khalni
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Sind auf natürlichem Wege wandernde Pflanzen heimisch?

Beitrag von Khalni »

Moin,

Die meisten Neophyten und fremde Pflanzen, die Probleme verursachen, kommen von weit her, die Staudenknöteriche (Reynoutria) kommen aus Sachalin und Nordjapan, die Goldruten (gigantea und canadensis) aus den USA und Kanada, der Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum) aus dem Kaukasus, die Springkräuter (impatiens glandulifera) aus Pakistan und dem Himalayagebiet, das Schmalblättriges Greiskraut (Senecio inaequidens) aus Südafrika, der Götterbaum (Ailanthus altissima) aus China usw.

Heißt alle Pflanzen, die Probleme verursachen, wären ohne den Menschen wahrscheinlich niemals nach Europa gelangt, man kann daher tatsächlich sagen, das die hier nicht hingehören.

Doch wie sieht das bei Pflanzen aus, welche ganz ohne die Hilfe des Menschen ihr Verbreitungsgebiet vergrößern, z.B. durch Mutation oder günstige Umstände? Beispiel: Acanthus mollis erfährt eine Mutation, die die Winterhärte steigert und drückt von Süden nach Norden durch, bis nach Nord-DE. Es entwickeln sich überall, wo es passend ist, Vorkommen und die Art breitet sich beständig aus.

Wäre dann nach meinetwegen 10 Jahren Acanthus mollis immer noch ein Neophyt oder eine, da sich selbst ohne Hilfe des Menschen ausgebreitete Pflanzenart natürlich heimisch gewordene Pflanze in DE?

LG Khalni
LG Khalni
Kraichgauer
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Re: Sind auf natürlichem Wege wandernde Pflanzen heimisch?

Beitrag von Kraichgauer »

Auch das sind Neophyten, also Neubürger. Da hat man einfach die Definition "vor oder nach 1491" gewählt. Ob sie durch den Menschen verschleppt sind oder "von alleine" wandern, ist egal - zumal die Abgrenzung nicht immer einfach ist.
Wenn man es genau nimmt, ist eigentlich der größte Teil unserer Flora durch die Aktivitäten des Menschen eingeschleppt oder begünstigt worden. Deswegen unterscheidet man manchmal sogar zwischen "Archäophyten" (bereits vor 1491, aber zu historischer Zeit eingeschleppt) und wahren "indigenen" Arten, also denjenigen der "potenziellen natürlichen Vegetation". Hier wird es restlos absurd, denn bereits zur Steinzeit hat der Mensch unsere Vegetation massiv verändert.

Sehr gute Beispiele für "Ausbreitung von alleine" sind mehrere Küstenpflanzen, die sich gerade vom Atlantik her nach Nordosten entlang der Nordseeküste ausbreiten: Crithmum maritimum, Limonium binervosum, Senecio vulgaris subsp. denticulatus, Euphorbia paralias, Crassula tillaea fallen mir da so ein.

Aber schon bei Crassula tillaea wird es bei der Definition haarig: die ist im Binnenland nämlich definitiv vom Menschen verschleppt (Kasernen, Campingplätze, Reitplätze etc.).
Bei Petrorhagia saxifraga, Centranthus ruber und C. calcitrapae sieht es erst mal nach einer Ausbreitung "von alleine" aus, aber da helfen Autos und Bahnwaggons definitiv mit.

Ganz problematisch wird es bei seltenen, schon lange eingewanderten Arten, die aber formal "nach 1491" sind und deswegen den Status "Rote-Liste-Art" verweigert bekommen: Fritillaria meleagris, Tulipa sylvestris... Was macht man mit denen?

Und noch so ein Fall, bei dem das System an seine Grenzen stößt: Neophyten hybridisieren miteinander und produzieren stabilisierte, apomiktische Arten - im Genus Oenothera gang und gäbe. Diese "Neoendemiten" gibt es nur in Mitteleuropa und eigentlich wäre das eine heimische Art. Aber auch hier wird ihnen der Rote-Liste-Status verweigert.

Gruß Michael
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