Hallo Harry,
ich wollte das Ganze ja noch mal "systematisch" angehen.
Aber zum Chat-GTP erst ... zu den Halluzinationen
https://www.zeit.de/digital/2024-06/ki- ... aet-oxford
https://www.heise.de/hintergrund/Kuenst ... 33784.html
Und zu Büchern allg.
Mit Sicherheit können Bestimmungsbücher nicht jedes kleinste Detail beschreiben sowie alle möglichen Abweichungen benennen. Deshalb lese ich so gerne auf
verschiedenen - möglichst guten und möglichst ausführlichen - I-netseiten - und schaue mir eine
Vielzahl von Bildern an. Würde ein Buch dies leisten wollen, müsste es mehrere Seiten pro Art einplanen - damit würde jedes Fachbuch vielbändig. Der Preis ginge sehr hoch, die Handhabbarkeit leidet, keiner kauft es - dann wird es gar nicht erst hergestellt.
Zur Flechte:
Ich gehe davon aus, dass wir uns mit bei den "FRUTICOSE AND FOLIOSE PHYSCIACEAE" in der richtigen Familie befinden.
Versuche ich dann, den Schlüssel bei italics durchzuarbeiten,
muss ich sehr am Anfang unterscheiden, ob "Thallus without vegetative propagules" (= entwickelt ausschließlich Apothecien) oder "Thallus with soredia, isidia or phyllidia" (= d.h. diese sollte man sehen ... ob auch Apothecien entwickelt werden, das ist nicht ausgeschlossen).
Später kommen dann noch fragen, zu Wimpern am Rand (hier nicht), zur K-Reaktion auf dem Thallus (hier: nicht) + Fragen zum Standort (diese Physconia-Arten kommen hauptsächlich auf Rinde vor, seltener auf Gestein - deshalb sind sie unter Rinde verschlüsselt).
(Und in Italien gibt es viele Arten allg., die bei uns nicht vorkommen oder extrem selten wären, damit verheddert man sich schnell im Schlüssel).
Sowohl bei der Apothecienfrage, als auch beim Standort müssten man theoretisch mehrere Wege gehen.
Wichtig (und das steht überall):
Physconia-Arten
Thallus immer K- (manche Medulla K+)
Bereifung typisch, mal mehr, mal weniger (auch innerhalb der Arten, kann individuell unterschiedlich sein)
keine Cilien, keine Pseudocyphellen
Gut zusammengefasst auf der franz. Seite AFL, da auch ein vereinfachter Physconia-Schlüssel. Der ist aber als Bild eingefügt - kann man nicht direkt übersetzen lassen - erst müsste man den Text "extrahieren".
Also allg. zu
Physconia
Blättriger Thallus mit breiteren Lappen als bei den Physcia, oft mit weißem Reif (Pruina) bedeckt (trocken). Keine Wimpern und Pseudocyphellen. Oberer
Cortex dick, K-, Rhizinen schuppig (EDIT: hier ist wohl "sparrig verzweigt" damit gemeint, siehe Bedeutung von "squarrosus") (außer Physconia grisea). Apothecien lecanorin, Scheiben dunkelbraun, oft bereift, Rand oft mit Lobuli besetzt, Sporen braun, einfach-septiert (= haben eine Trennwand)
Hier haben wir wieder eine jüngere Flechte, bei der man (bzw. ich) nicht so eindeutig sagen kann, was sie entwickeln wird.
Physconia distorta hätte viele und früh Apothecien und keinerlei "soredia, isidia or phyllidia", dafür entwickelt sich oft "adventive lobuli" (Zusatzläppchen - kann man die von "Phyllidia" unterscheiden - oder kann das nicht doch Dasselbe sein??? EDIT: vermutlich nicht : "Phyllidia" sind dann die "Läppchen", die abbrechen und dann zur Ausbreitung dienen).
Jetzt schaue ich mir deine Flechte detailliert an, was da
an den Rändern der inneren Loben passiert. In meiner Vorstellung sind das beginnende Sorale ... ich weiß allerdings nicht, wie "beginnende Adventivläppchen" aussehen könnten!
Also Bildvergleich - da sehe ich überall - auch bei Exemplaren von
Physconia distorta bzw. Ausschnitten, wo man keine Apothecien sieht - absolut glatte Lobenränder!
Deshalb halte ich Physconia distorta für sehr unwahrscheinlich.
Nun schauen wir uns die
Unterseite und die Rhizinen an.
Ich verstehe deinen Satz " Zunächst sah ich nur eine schwarze Fläche. Um die Rhizinen "freizulegen", musste ich die schwarze Schicht vorsichtig entfernen." nicht wirklich. War das Schwarze auf der Unterseite ein lockeres Gebrösel, irgendwelche Anhaftungen? Normalerweise sieht man die Rhizinen so oder so. Die weißen Anteile auf dem Unterseitenbild sehen für mich so glatt aus wie ein Kinderpopo, so wie gewachsen - und nicht so, als wenn man da überall eine Schicht mühselig abgekratzt hätte. (?)
Aber o.k. .
wir sehen verzeigte Rhizinen, teilweise gehen die Verzweigungen rechtwinklich ab, in unterschiedlicher Länge. Die Rhizinen sind an der Basis immer schwärzlich, an den Spitzen aber auch weißlich.
Dass an einer Ecke scheinbar auch unverzweigte Rhizinen sind, würde mich nicht stören, die R. fangen ja auch mal klein an.
Mit den Rhizinen können wir m.M. nach definitiv
Physconia grisea ausschließen. Das ist die einzige Physconia mit ... überwiegend !!! ("R. les plus souvent simples") ... unverzweigten Rhizinen (bei einer Unterart sollen sie ... manchmal ... gegabelt sein, aber nicht "flaschenbürstenartig" verzweigen.) Bei P. grisea sollen die R. allg. auch etwas heller sein, zum Teil weißlich - aber AFL zeigt auch unverzweigte, dunkle R. für diese Art.
https://www.afl-lichenologie.fr/Photos_ ... grisea.htm
Übersetzt (DeepL und noch angepasst)
Physconia grisea
Thallus: Orbital bis unregelmäßig blättrig, bis 8 cm Ø, manchmal mit anderen Thalli zusammenfließend, fest anliegend, grau bis graubraun; Lappen 3 mm breit, kurz, sich überlappend, besonders an den Spitzen mit weißer Bereifung bedeckt. Soralien grob körnig, oft isidiert erscheinend, anfangs auf dem Rand der Lappen lokalisiert, dann allmählich die Mitte des Thallus bedeckend. Unterseite fast weiß mit einfachen Rhizinen (die einzige Physconia mit einfachen Rhizinen).
Photosymbiont: Trebouxioid.
Chemismus: Cortex und Medulla K-.
Apothecien: selten mit sorediertem und pruiniertem Rand; Sporen 22-34x12-17 µm.
Habitat: Häufige, kortikole Art auf verschiedenen Laubbäumen in offenen Lagen und wenn die Rinde mit Nährstoffen angereichert ist (oft mit Staub imprägniert); kann manchmal auf alten Mauern oder Kalksteinblöcken unter nitrophilen Bedingungen vorkommen.
Bemerkung: Charakteristisch sind die graubräunlichen, mit Pruina im bedeckten Lappen, die körnigen Soralien und die blasse, mit einfachen Rhizinen versehene Unterseite. Sie ist die einzige Physconia mit einfachen Rhizinen.
Da sich noch gar keine "Ausbreitungsstrukturen" deutlich sichtbar gebildet haben, wissen wir auch gar nicht, wo diese überall sitzen werden. Sie beginnen aber immer randständig - bleiben manchmal da, manchmal wird auch die Lobenoberfläche besetzt.
Da ich auf dem Detailbild was
Gelbliches sehe, finde ich meine Idee mit
Physconia enteroxantha immer noch ganz gut.
Da ist es so, dass das Mark (Medulla)
schon ohne KOH Zusatz
gelblich sein kann (oder auch weißlich), ebenso die Sorale (falls schon vorhanden). Mit K gibt es dann - meistens! - eine Reaktion - aber nicht immer so stark, dass sie deutlich zu sehen wäre.
Da gefällt mir vor allem das Bild der Rhizinen bei AFL (doch ein Bild davon gefunden!):
schwarz, aber mit weißen "Extremitäten", die Farbe der Unterseite ist etwas variabel, aber normalerweise heller am Rand.
Aus AFL zu
Physconia enteroxantha
Thallus: blattförmig, 2-5 cm Ø, ± unregelmäßig geformt, am Rand gelappt,sehr eng am Substrat anliegend, mit mittellangen Lappen, die sehr oft mit benachbarten Thalli zusammenfließen und sich mehr oder weniger überlappen, wodurch ein viel größeres Ganzes entsteht.
Oberseite grau bis ± dunkelbraun, mit weißlicher Bereifung, aber meist und nur an den Spitzen der Lappen mit zahlreichen weißen Punkten (Lupe x 10); mit recht zahlreichen, manchmal isidioiden, gelblichen, seltener weißlichen Soralien, randständig, aber nicht auf den Randlappen.
Obere Rinde paraplectenchymatös.
Unterseite dunkelbraun, am Rand der Lappen hellbraun, seltener weißlich, kortikal. Untere Rinde prosoplectenchymatös.
Schwarze,flaschenbürstenartige Rhizinen mit mehr oder weniger weißer Spitze.
Photosymbiont: Grünalge (andere als Trentepohlia).
Chemie: Cortex K-; Medulla weiß bis gelb, K+ gelb bis orangegelb; Soralien K+ leuchtend gelb. Thallus in Gegenwart von Wasser deutlich grün werdend
Apothecien: sehr selten, mit ellipsoiden Sporen vom Physconia-Typ, einmal-septiert, braun, zu acht, 25-37 × 16-21 µm groß.
Habitat: auf Rinde (auf Stämmen und dicken Ästen einzelner Bäume), seltener auf Holz und kalkfreiem Gestein. Bis zur montanen Stufe an gut beleuchteten und feuchten Standorten. Ziemlich häufig anzutreffen. Von der unteren mesomediterranen bis zur montanen Stufe.
Also meine Meinung: vielleicht am ehesten
Physconia enteroxantha, wenn da tatsächlich Medulla K+ gelb war (und man schon ohne K was Gelbes sieht). Rhizinen passen, Standort ??? fraglich ??? kalkfreies Gestein ??? Pruina ist bei deinen Bildern auch etwas mehr, als für P. enteroxantha als "meistens" angegeben wird.
https://www.afl-lichenologie.fr/Photos_ ... xantha.htm
https://www.afl-lichenologie.fr/Photos_ ... storta.htm
https://www.afl-lichenologie.fr/Photos_ ... grisea.htm