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Mir unbekannter Pilz

Verfasst: Di Nov 04, 2025 6:05 pm
von frh@mail.de
Hallo, dieser Pilz wuchs auf einer Wiese im bayerischen Landkreis Donau-Ries. Leider habe ich keine Ahnung, welche Art sich dahinter verbirgt, Pilzführer und App bringen keine sinnvollen Ergebnisse. Kann mir jemand auf die Sprünge helfen?
Herzlichen Dank!

Re: Mir unbekannter Pilz

Verfasst: Di Nov 04, 2025 10:12 pm
von abeja
Hallo,
... jetzt muss ich Pilzführer und App aber in Schutz nehmen (und schimpfen ;) ):
das sind ja "Pilze von oben", die kann man eigentlich nicht bestimmen - da kann man nur "wild" spekulieren.
(Es gibt diesen Spruch "Pilze von oben sind wie Käfer von unten").

Aber - ich spekuliere ganz gerne, also:
Wir sehen auf der Wiese Pilze (Größenangabe wäre gut, trotz "Grasvergleich"), schon etwas ältere Pilze (zum Teil komplett aufgeschirmt, dann Hutrand verbogen).
Die Oberfläche erscheint im Licht etwas glänzend "speckig" und gleichzeitig hygrophan (also unterschiedlich je nach Feuchtigkeitsgehalt, siehe diese komischen helleren Bereiche.)
Wir sehen direkt unter dem Hutrand Lamellen, helle Lamellen (vermutlich - bei dem Reifezustand - relativ helles Sporenpulver, jedenfalls nicht braun)
die Lamellen stehen extrem dicht.
Man bräuchte aber DRINGEND ein Bild der Lamellen (Dichte, Ansatz am Stiel), sowie Sporenpulverfarbe und Geruch wäre auch nicht schlecht.

Zufällig war ich heute auf einer Wiese und sah auch ein paar Pilze, z.B. größere Ellerlinge (vermutlich Cuphophyllus colemannianus).
So etwas können wir z.B. sofort ausschließen, da passen diese extrem dichten Lamellen nicht.

Dann kenne ich von (meiner) Wiese, exakt zu dieser Jahreszeit, eine Lepista-Art, und zwar Lepista paneolus. Da könnten die Lamellendichte und die Form des Hutes passen ... je nach Alter, Lamellenfarbe ... naja, wird bei Reife auch etwas dunkler, da das Sporenpulver "rosa-beige" ist. ABER die Hutoberfläche ist da nicht so speckig/ hygrophan, sondern "hübscher" marmoriert, oft mit ringförmig angeordneten Wasserflecken und gleichzeitig matter.
Je nachdem, welche Bilderflut man vergleicht, kommen dabei aber durchaus ähnliche Bilder vor.
Alternative Idee wären auch z.B. völlig ausgeblichene Lepista sordida ... da passt das Speckige besser, aber die haben nicht so einen "sauberen" warmen Farbton, sondern - wie der Name sagt - einen "schmutzigen" Farbton - egal, wie jung oder alt, wie feucht oder trocken sie sind.

Vielleicht sogar am wahrscheinlichsten könnte irgendein Trichterling, eine Clitocybe im weiteren Sinn sein. Da können auch solche Hutoberflächen und dichte Lamellen am Hutrand vorkommen (Sporenpulver wäre weißlich), gibt es auch auf diesen Standorten.
Jetzt fällt mir ein, ich hatte auch einmal sehr ähnliche Pilze (deine hier hätte ich aber größer eingeschätzt, d.h. meine kleiner) auf einem grasigen Begleitstreifen und im DGfM-Forum mal vorgestellt und angefragt.
Meine Mutmaßung war Clitocybe agrestis (Wiesentrichterling EDIT: hatte "Ruderaltrichterling" geschrieben, das ist aber wieder ein anderer). Aber da ist soooo viel in Bearbeitung, dass sich darauf niemand näher einlassen wollte. Also der Pilz bliebe - aufgrund der ausstehenden Neubearbeitungen der Gattung - sogar mit mikroskopischer/ genetischer Untersuchung unklar, falls man so weit hätte gehen wollen.
Vergleiche mal:
https://forum.dgfm-ev.de/thread/2988-vo ... #post15611
(Hinter den Fälblingen, weiterscrollen).

Re: Mir unbekannter Pilz

Verfasst: Mi Nov 05, 2025 1:53 am
von abeja
Wegen eigener Funde habe ich gerade noch in eines meiner dicken Lieblingspilzbücher geschaut. (Fungi of Temperate Europe). Bei den Lepista-Arten hatte ich gar nicht an Lepista saeva gedacht (selbst auch erst einmal gefunden).
Falls die Pilze relativ groß waren ... bei L. saeva gibt es eine gute Übereinstimmung mit der Hutform, -oberfläche und -farbe.
Natürlich zeigen die Vergleichsbilder normalerweise besonders die violetten Stiele...
(Im Moment da auch zum Teil Umbenennungen, bei Wiki aktuell unter Collybia personata. Dass Lepista allgemein anerkannt zu Collybia gestellt wird, ist aber sehr fraglich.)

Re: Mir unbekannter Pilz

Verfasst: Mi Nov 05, 2025 9:05 am
von frh@mail.de
Hallo abeja,

ganz herzlichen Dank für Ihre ausführliche Recherche und den langen Text. Sie haben sich ungeheuer viel Mühe gegeben - das ist einfach toll.

Ja, ich konnte noch ein weiteres Foto auftreiben.Das ist etwas besser geeignet, und hier gibt die App mit großer Sicherheit "Hygrocybe virginea" an.

Nun kenne ich mich mit Pilzen nicht besonders aus, ich bin eher in der Geobotanik zu Hause. Aber wenn ich in Wikipedia zu dieser Art lese "Die Art lebt vermutlich in Symbiosegemeinschaften mit Moosen in mageren Grasflächen", dann würde ich sagen, dass hier etwas noch nicht zusammenpasst.

Vielleicht haben Sie dazu noch eine Idee, angesichts des etwas besseren Fotos?

Re: Mir unbekannter Pilz

Verfasst: Mi Nov 05, 2025 10:25 am
von abeja
Hallo,
ganz kurz zwischendurch:
vermutlich eine andere Art als die ursprünglich eingestellten Pilze: anscheinend kleiner, mit viel weiter stehenden Lamellen.
(Es sei denn, die ersten Bilder täuschen da komplett).
Das gehört in den Verwandschaftskreis um Hygrocybe virginea
(Cuphophyllus virgineus). Die Art selbst ist es wohl nicht, da der Pilz nicht weiß ist, vermutlich geht das in Richtung H. ochraceopallida. (Wird auch als Unterart von H. virginea angesehen ... weiß gerade nicht, was da aktuell ist).
Der Standort passt, diese Arten sind nicht sehr wählerisch, ungedüngte Wiesen.

Re: Mir unbekannter Pilz

Verfasst: Fr Nov 07, 2025 4:02 pm
von frh@mail.de
Herzlichen Dank auch hier für Ihre fundierte Einschätzung! Sie haben mir echt weitergeholfen!
Künftig andere, geeignetere Merkmale aufnehmen gehört auch dazu.
Viele Grüße von Frank