Die falschesten Artepitheta

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plantsman
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von plantsman »

Moin,

bei alten Herkunftsbezeichnungen fällt mir gerade Geranium canariense ein. Diesen Namen gibt es zweimal: 1) Geranium canariense (Willd.) Poir. mit dem Basionym Pelargonium canariense Willd., was heutzutage ein Synonym zum südafrikanischen Pelargonium candicans Spreng. ist. 2) Geranium canariense Reut.
Wegen der damaligen Meinung von Poiret, das Pelargonium Geranium heissen sollen, ist der Name eines tatsächlich von den Kanaren stammenden Pflänzchens aus Gründen der Priorität illegitim und musste geändert werden. Nun heisst Geranium canariense Reut. Geranium reuteri Aedo & Munoz. Glücklicherweise kann aber die Art von Willdenow/Poiret keinen mehr ins Bockshorn jagen....
Ob Pelargonium candicans aber tatsächlich die bleicheste/blasseste ("candicans") Pelargonie ist....... :mrgreen: ?
Zuletzt geändert von plantsman am Fr Jul 29, 2022 5:32 pm, insgesamt 1-mal geändert.
Kraichgauer
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Kraichgauer »

Sehr viele Leute haben Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung von "Libyen". Dass das auch den Botanikern passierte, zeigt Lobularia lybica (Viv.) Webb. & Berthel. (= Lunaria lybica Viv.). Nach dem ICBN wäre das möglicherweise sogar zu libyca emendierbar, hat aber keiner gemacht.
Dagegen schreibt sich die alte Region Lydien (heutige Westtürkei) mit dem "y" vorne, und so gibt es korrekterweise einige Arten mit dem Epithet "lydica". Das steigert die Verwirrung zusätzlich.
Gruß Michael
Kraichgauer
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Kraichgauer »

Der Botaniker, der unfreiwillig die wirrsten Gattungs- und Artnamen auslöste, ist sicher der arme Peter Forsskål (nach Wikipedia auch Pehr Forsskål, Peter Forskaol, Petrus Forskål oder Pehr Forsskåhl). Obwohl der schon beinahe "prä-Linné", nämlich 1763, gestorben war, kam 1775 postmortem seine "Flora aegyptiaco-arabica" heraus, herausgegeben von Niebuhr. Darin sind viele gültige Erstbeschreibungen für den äthiopischen Raum.

Von der Gattung Forsskaolea (Urticaceae) kenne ich gefühlt über ein halbes Dutzend Schreibweisen - Forsskalea, Forskohlea und sogar Forskohla sind noch die harmlosen. Wenn man sich die Schreibungen seines Namens anschaut, ist das kein Wunder. Linné selber schrieb noch "Forsskålea", das wurde später zu Forsskaolea lateinisiert (und ist nach IPNI auch korrekt so), aber später schrieb er selbst wieder Forskohla.

Auch die Epitheta sind oft wirr, es gibt z.B. forskohlii, forsskaohlei, forskaohlei, forskahlii, forsskahlii und sogar forskalaei, teilweise für dieselbe Art.

Selbst das pflanzliche "Abnehm-Mittel" namens Forskolin® aus der Buntnessel Plectranthus forskalaei Vahl (heute gültiger Name Coleus hadiensis, bei den Pharmakologen meist Coleus forskohlii) entgeht dem Chaos nicht und wird gelegentlich Forskohlin geschrieben. Man fühlt sich verkohlt.

Selbst in mittelmeerflora.de steht noch Forsskalea, das muss Thomas mal korrigieren.

Gruß Michael
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Monsti
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Monsti »

Hallo Dominik,

bezüglich Campanula rotundifolia möchte ich Dir widersprechen. Die basalen Blätter sind nämlich tatsächlich ziemlich rund.

campanula.rotundif.2.jpg
campanula.rotundif.2.jpg (126.36 KiB) 872 mal betrachtet

Nur deshalb der Name, den ich nun wirklich nicht unpassend finde.

Viele Grüße
Monsti
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Anagallis
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Anagallis »

Bloß sind die zur Blütezeit normalerweise nicht mehr vorhanden.
Dominik
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Monsti
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Monsti »

Unpassende wissenschaftliche Bezeichnungen kommen oft vor. Da ist z.B. eine Schalenamöbe mit der Bezeichnung Pseudonebela africana. Diese Bezeichnung trägt diese Amöbe deshalb, weil sie zunächst nur im tropischen Afrika gefunden wurde, und zwar von einer gewissen Lucienne Emilienne Gauthier-Lièvre im Jahr 1953. Einige Jahre später wurde die Art auch im tropischen Amerika nachgewiesen. Ich konnte im Jahr 2013 nachweisen, dass es genannte Art auch bei uns in Tirol gibt. --> https://www.academia.edu/10303099

Ích denke, so etwas kommt häufiger vor, was mich allerdings nur geringfügig stört. Wissenschaftliche Bezeichnungen, die eh eine wilde Mischung aus lateinischen und griechischen Begrifflichkeiten sowie gewissen örtlichen und personellen Bezeichnungen sind, sollen ja vor allem eindeutig sein, d.h. zum Beispiel, dass man den Begriff Lathyrus sylvestris klar einordnen kann. Ob diese Pflanze nun im Wald wächst oder - wie hier - wild im Garten, spielt keine Rolle.

Gutenachtgrüße von
Monsti
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Monsti
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Monsti »

Bloß sind die zur Blütezeit normalerweise nicht mehr vorhanden.
Doch, die basalen Blätter sind auch noch zur Blütezeit vorhanden. Gerne liefere ich Dir dazu Fotos, denn diese Pflanze blüht gerade in allen Ecken unseres Gartens.

Lg Monsti
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abeja
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von abeja »

Hallo Monsti,
das ist vielleicht klimatisch bedingt, ob die Grundblätter noch vorhanden sind. Auf größere Höhe bei dir, da könnte ich mir das vorstellen. Hier bei mir (süd-westlichste Ecke von BaWü an einem sonnigen kalkigen Ort in Südhanglage), da findet man zur Blütezeit keine Grundblätter mehr, höchstens ganz am Anfang der Blüte.)
Viele Grüße von abeja
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Anagallis
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Anagallis »

Es mag sein, daß Einzelexemplare auf Felsen der montanen Stufe ihre Grundblätter behalten. Hier im warmen Flachland mußte ich lange suchen, um von der Art überhaupt mal ein Grundblatt zu finden. Auch die Topfpflanzen vor dem Haus haben schon lange keine Grundblätter mehr.
Dominik
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Monsti
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Monsti »

Es mag sein, daß Einzelexemplare auf Felsen der montanen Stufe ihre Grundblätter behalten.
Es handelt sich bei uns nicht nur um Einzelexemplare, sondern um alle Exemplare. Es sind Hunderte.
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