Die falschesten Artepitheta

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Kraichgauer
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Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Kraichgauer »

Hallo zusammen,

manchmal ist es ja ganz lustig, Pannen bei der Artbenennung in alter und neuer Zeit aufzulisten, ob beabsichtigt ("gigantea" für winzigste Arten) oder versehentlich. Solche Zusammenstellungen gibt es auch bei den Entomologen. Hier ein Anfang, mir fallen später sicher noch mehr Fälle ein:

Scilla peruviana L. kommt in Wirklichkeit aus Nordwestafrika und Südspanien.

Mespilus germanica L. stammt aus Vorderasien und wurde schon früh als Obstbaum eingeführt, aber Linné vermutete, die Art sei bei Straßburg (dort loc. typ.) heimisch. Straßburg war damals immerhin deutsch, wenigstens das stimmte einmal.
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Anagallis
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Anagallis »

Da darf Campanula rotundifolia als Art mit den unrundestvorstellbaren Blättern nicht fehlen.
Dominik
Kraichgauer
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Kraichgauer »

Asclepias syriaca L. ist nicht aus Syrien, sondern aus Nordamerika und dort weit verbreitet.

Impatiens capensis Meerb. kommt nicht vom Kap der Guten Hoffnung, sondern ebenfalls aus Nordamerika. Möglicherweise war es schon früh am Kap verwildert, evtl. als Gartenpflanze.

Androsace maxima L. ist eine der kleinsten Arten der sowieso nicht großwüchsigen Gattung. Der Name kommt wohl von dem sehr großen Kelch, daher ist der deutsche Name "Großkelchiger Mannsschild" schon besser.

Es gibt viele Arten, die "iberica" im Nachnamen tragen, aber in Wirklichkeit aus dem Transkaukasus sind (z. B. Scandix iberica, Centaurea iberica). Diese Region (das heutige Georgien) hieß früher Iberien oder Iberia. Insofern sind die Namen eigentlich richtig, aber es gibt arge Verwirrung mit dem echten Spanien, von wo ebenfalls zahlreiche "iberica" kommen.

Ärgern tue ich mich auch immer über Jasione montana, die eher die Art der sandigen Ebenen ist und nur ausnahmsweise in die Berge geht, während Jasione laevis eine (sub)montane Art ist.
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plantsman
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von plantsman »

Moin,

sehr schön ist auch der Frauenschuh Paphiopedilum micranthum. Den haben die Autoren knospig beschrieben. Da war diese auch noch klein und niedlich......daraus ist dann eine Orchidee mit einer Lippe wie ein Einkaufsbeutel geworden...... OK, ich übertreibe. Die Lippe ist aber die Größte in der gesamten Gattung.
Kraichgauer
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Kraichgauer »

Manchmal ist es auch glatte Absicht. Bei den kleinsten Kleinschmetterlingen (glaube es waren Nepticulidae) bin ich mal auf eine Gattung gestoßen, in der alle (millimetergroßen) Arten Namen wie "imperator" oder "rex" tragen. Sobald ich mich wieder erinnere, was das genau war, update ich diesen Beitrag.

Bei den Käfern sind mal jemand die Ideen für neue Namen ausgegangen, als er ein paar hundert neue von Neuguinea in einer Gattung beschreiben musste. Da hat er dann einfach durchgezählt ("vigintitertia" usw.).

Und nicht fehlen dürfen natürlich auch die absichtlichen Namen:
- ein blinder Höhlenkäfer aus den Südostalpen mit Epithet "hitleri"
- eine schleimige, fast farblose Meeresschnecke namens "borisbeckeri"

Derzeit tobt übrigens eine ernstgemeinte Debatte darüber, ob man politisch belastete oder unerwünschte Namen nachträglich ändern darf (z. B. die vielen "rhodesiaca"). Auch die frühere Mohrenhirse hat ihren deutschen Namen bereits verloren...

Der am östlichen Mittelmeer recht häufige Klee Trifolium infamia-ponertii bekam seinen neuen Namen von Werner Greuter, als der sich massiv über Jiri Ponert geärgert hatte, weil dieser ihm einen Namen "geklaut" hatte. Letzterer war bekannt dafür, am Schreibtisch Hunderte von neuen Kombinationen zu kreieren, ohne auch nur die Typen konsultiert zu haben. (So was ähnliches war Rauschert in Deutschland bei den Orchideen.) Deswegen bekam der Klee seinen neuen Namen vom "infamen" Ponert.

Gruß Michael
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plantsman
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von plantsman »

Moin,
Kraichgauer hat geschrieben: Do Jul 21, 2022 8:24 am.....So was ähnliches war Rauschert in Deutschland bei den Orchideen......
wobei Rauschert, so viel ich weiß, nur Briegers Versäumnisse aus "Die Orchideen" nachgeholt hat.
Kraichgauer
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Kraichgauer »

plantsman hat geschrieben: Do Jul 21, 2022 11:12 am Moin,

wobei Rauschert, so viel ich weiß, nur Briegers Versäumnisse aus "Die Orchideen" nachgeholt hat.
Das ändert nichts daran, dass er durch Massen-Umkombination 735 Synonyme produziert hat, während gerade mal weniger als 50 seiner Kombinationen noch gelten. Nicht gerade eine berauschende [sic] Quote.

Gruß Michael
hegau
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von hegau »

Zu den Bäumen:

-Ulmus glabra ist die mit den behaarten Blättern.
-Stieleiche ist die mit den fast ungestielten Blättern.
-Winter-Linde ist die mit den nackten, Sommer-Linde die mit den pelzigen Blättern.

Gruß Thomas
Flora der Alpen und angrenzender Gebiete:
http://www.tkgoetz.homepage.t-online.de ... ahome.html
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Anagallis
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von Anagallis »

* Bei Cardamine hirsuta konnte mir noch niemand erklären, an welcher Stelle sich die namensgebende Behaarung befindet.
* Der Wiesen-Wachtelweizen wächst vor allem in Wäldern.
* Von Passanten gefragt, warum Dictamnus albus "weiß" im Namen trägt, sind wir auf Ekursion einmal ziemlich ins Schwitzen gekommen und rieten dann, daß es um die Farbe der Wurzel geht.
Dominik
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abeja
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Re: Die falschesten Artepitheta

Beitrag von abeja »

Das ist ja das "Verzwickte", dass man nicht immer weiß, auf welches "Bauteil" sich der Name bezieht.
Zum Diptam habe ich gerade nachgelesen, zumindest Wiki ;) (u.a. Stellen im I-net ähnlich) bestätigt (ohne Quellenangabe) eure Vermutung "Der wissenschaftliche Artname albus („weiß“) bezieht sich auf die weißlichen, kriechenden Rhizome. "

Zu Ulmus glabra: die Rinde bleibt dort sehr lange glatt, darauf soll sich der Name beziehen.
Die Stieleiche hat ja die besonders gestielten Früchte, daher der Name - das empfinde ich nicht als falsch.
Viele Grüße von abeja
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