Taraxacum aspectabile - Unauffälliger Schwielenlöwenzahn

Zeigt hier eure Pflanzenbilder, zu denen keine Bestimmung mehr benötigt wird
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Kraichgauer
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Taraxacum aspectabile - Unauffälliger Schwielenlöwenzahn

Beitrag von Kraichgauer »

Hallo zusammen,

Noch so eine rätselhafte Art, bei der wir etliche "Expeditionen" brauchten, um sie wirklich zu klären. Taraxacum aspectabile ist die vorläufig letzte in Deutschland vorkommende Erythrosperma-Art, die beschrieben wurde, und zwar 2019 von Stepanek et al. (zwei Dutzend weitere harren noch der Beschreibung oder Meldung). Insofern konnte sie noch nicht im Rothmaler (von 2016) drin sein. Die Hauptverbreitung ist in der Tschechei und Slowakei. Aus Deutschland gab es einen einzigen Nachweis aus der Kinding-Haunstettener Heide an der Altmühl, wo Krach 1988 die Art gesammelt hatte, die dann in Pruhonice kultiviert und in der Originalveröffentlichung erwähnt wurde.

In Vorbereitung der Bayernflora und Flora Germanica Band IV hatten Lenz Meierott, Peter Kirchmeier und ich mehrere Male versucht, die Art dort wiederzufinden. Auf den Erdwegen durch die Heide stehen etliche Erythrospermen durcheinander (lacistophylloides, lacistophyllum, rubicundum, grootii, plumbeum, parnassicum...), was alles sehr unübersichtlich macht; unter anderem fiel dabei ein Neunachweis von Taraxacum grootii für Deutschland ab.

Zunächst fielen wir alle auf eine komische, kleine Ruderalia-Art mit fehlenden Pollen und schwärzlichen Narben herein, die sich als Erythrosperma tarnte. Mit ein bisschen "Interpretation" und Wunschdenken dachten wir, das müsse eigentlich der gesuchte aspectabile sein. Aber bei einem letzten Besuch, bei dem ich versuchte, die Achänen zu sehen, wurde klar, dass diese komische Ruderalia nicht aspectabile sein konnte. Ihre Blätter hatten sich zu typischen Ruderalia-Blättern entwickelt! Mist, dachte ich im Gelände und verlor erst mal die Hoffnung. Dann sah ich plötzlich doch noch eine mir unbekannte Erythrosperme mit Nachblüten und Achänen, und schnell wurde klar, dass der echte aspectabile gefunden war.

T. aspectabile ist eigentlich ganz charakteristisch. Er gehört in die Gruppe von Taraxacum fulvum (Series Fulva) und sieht dem ebenfalls östlichen Taraxacum maricum und einer unbeschriebenen Art aus der südlichen Rheinebene sehr ähnlich. Alle haben sattbraune, nur wenig oder gar nicht rötliche Achänen und kaum gezähnte, sehr regelmäßige Seitenlappen. Im Gegensatz zum ebenfalls spät (2005) beschriebenen Taraxacum maricum, einem Doppelgänger, ist T. aspectabile apollin. T. fulvum ist dagegen eine große Art der baltischen Küsten (auch SH und MV). Sehr ähnlich kann auch der nördlich-östliche T. frondatum werden.
Also alles wie eine kleine Ruderalia und damit "unauffällig" - der Name ist im Nachhinein recht gut gewählt. Die Art muss in Süddeutschland tatsächlich sehr selten sein; aus der Gruppe habe ich zumindest auf der Schwäbischen oder Frankenalb nichts Ähnliches gesehen.

Es zeigt, wie viel noch zu entdecken bleibt. Erythrospermen sind echt eine Wundertüte.

Gruß Michael
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Maltus
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Re: Taraxacum aspectabile - Unauffälliger Schwielenlöwenzahn

Beitrag von Maltus »

Hallo Michael,
Glückwunsch! Es freut mich zu lesen, dass Bayern immer einen Abstecher wert ist.
Freundliche Grüße
Georg
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