Anagallis tenella, Scutellaria minor sowie Wahlenbergia hederacea im Schwarzwald

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Kraichgauer
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Re: Anagallis tenella, Scutellaria minor sowie Wahlenbergia hederacea im Schwarzwald

Beitrag von Kraichgauer »

Aber immerhin scheinen die behördlichen ASPler aus Baden-Württemberg hier mitzulesen. Gut so. Ich bin schon über 20 Jahre der (belegbaren) Meinung, dass die ganze Geheimhaltung dazu diente, das Versagen der gesamten Behörden beim Artenschutz (nach der Abschaffung der Bezirksstellen) und den katastrophalen Zustand der Datenbanken zu verschleiern. Als wir uns Zugang zu den Daten erklagten (vor Gericht!), mussten wir eine Geheimhaltungserklärung für die Arten der hohen Roten Listen unterschreiben. Darunter auch Schoenoplectiella supina. Bereits damals (Mitte der 2000er) war klar, dass der Datenbestand veraltet war. Im Fall von Schoenoplectiella supina ist seither nachweislich keine einzige Maßnahme im Gelände eingeleitet worden. Gemerkt hat es niemand, weil die Daten ja geheimgehalten wurden. Das kam (fast) allen außer uns zupass.

In den 1990er und 2000er Jahren gab es noch ein viel verrückteres Argument. Da wollte ich schon an die (damals schon schlechten) Daten kommen, um Initiativen zum Artenschutz zu starten. Da hat damals die LfU argumentiert, sie dürfe die Daten nicht weitergeben, weil die Kartierer nicht einverstanden seien und die LfU die Rechte nicht hätte! Und man wäre nicht mehr in der Lage, in der Datenbank die privaten, "geschützten" Daten von den copyright-freien zu trennen. Das waren dieselben Kartierer, die vorher von der LfU Geld für diese Kartierungen bekommen haben! Man könnte von "absichtlicher Kontamination" reden. Aber wie gesagt, das war bereits damals schon alles eine Ausrede.

Echte, teilweise sogar effiziente Artenschutzmaßnahmen kenne ich eigentlich nur von der Entomologieseite, wie schon oben geschrieben. Bei der Botanik fairerweise eine einzige Ausnahme: Deschampsia media auf dem Segelflughafen Ketsch. Für die ist tatsächlich etwas getan worden.

Gruß Michael
Datura
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Re: Anagallis tenella, Scutellaria minor sowie Wahlenbergia hederacea im Schwarzwald

Beitrag von Datura »

hier nur kurz zur Anagallis: Der geht es so gut wie schon lange nicht mehr. Ich betreue die aktuellen Standorte seit über 30 Jahren im Rahmen des ASP sehr intensiv, bin bei allen derzeit aktuellen Standorten (6) mindestens 3 mal pro Jahr zur Pflege bzw. deren Überwachung. Die Pflanzen an allen Standorten blühen auch. Drei Standorte sind autochthon, 3 wurden an geeigneten Stellen neu angelegt. Einer der autochthonen Standorte wurde vor 3 Jahren neu entdeckt (aus Angaben der Biotopkartierung).
Flor_alf
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Re: Anagallis tenella, Scutellaria minor sowie Wahlenbergia hederacea im Schwarzwald

Beitrag von Flor_alf »

Die Diskussion scheint mir nach dem ersten Beitrag von Dominik sehr ins Polemische abgerutscht zu sein.
Die Rolle des Kartierers, ob nun ehrenamtlich oder professionell oder gar amtlich beauftragt, ist vergleichsweise einfach. Man findet seltene Arten und freut sich. Das kann auch zu einer Sammelwut, wenn nicht von Herbarbelegen, so doch von Fotos oder eben reinem Wissen führen.
Ich habe Jahrzehnte lang nur kartiert und es ist aus dieser Position sehr einfach Kritik über falsche bzw. keine Maßnahmen von Seiten der Behörden zu schimpfen. Seit über einem Jahrzehnt habe ich „die Seite“ gewechselt und bin im u.a. im ASP für zwei Landkreise zuständig. Ist man selber aufgefordert Verantwortung zu übernehmen, das „Richtige“ für eine Art zu tun, Maßnahmen einzuleiten, mit Besitzern oder anderen Akteuren zu verhandeln oder die Pflege auf die Bedürfnisse einer Art anzupassen wird man völlig anders mit der Materie konfrontiert. Zum einen gibt es mehr oder weniger umfangreiche Zielkonflikte mit anderen Arten. Auch der Umgang mit vielen Akteuren ist nicht immer einfach. Manchmal sind es gerade ehrenamtliche Naturschützer, die nicht bereit sind neue Wege zu gehen oder Maximalforderungen stellen, die rechtlich nicht umsetzbar oder gar kontraproduktiv sind.
Bei näherem Hinsehen ist das Wissen um den Lebenszyklus und der einzelnen Arten oft unvollständig, vor allem was Keim- und Jugendstadien der Arten angeht. In dem weiter oben bereits einmal erwähnten „Grundlagenwerk“ zur Flora von BW stehen für einige Arten völlig falsche oder zu kurz greifende Pflegevorschläge drin. Oft sind Pflegevorschläge in (älteren) Standartwerken aus subjektiven Empfinden abgleitet und nicht nicht auf empirischen Studien gegründet.
Ein kaum bekannter Aspekt des ASP ist es, anwendungsorientierte Forschung auf dem Gebiet des Artenschutzes anzustoßen oder überhaupt zu ermöglichen. Ein Beispiel ist eine langjährige Studie zu Liparis loeselii (link: https://www.zobodat.at/pdf/Berichte-Bay ... 1-0109.pdf ), wobei der Artikel einen Zwischenstand des Projektes dokumentiert.

Geheimhaltung ist im Naturschutz nicht erst mit dem ASP ein Thema und auch nicht nur beim behördlichen Naturschutz sondern auch bei Ehrenamtlichen. Ich persönlich halte nichts von übertriebener Geheimhaltung, wobei es bei manchen sehr sensiblen Arten (z.B. Hammarbya palustris) sehr schädlich ist, wenn viele Personen in einem Schwingrasen herumtrampeln. Bis auf wenige solcher Fälle ist es besser Informationen leicht zugänglich zu machen, das gilt auch innerhalb der Behörden.
Die oben von Michael positiv aufgeführte FFH-Richtlinie hat nicht nur positive Effekte. Im Zuge der Berichtspflicht lenkt sie die Aufmerksamkeit auf die FFH-Arten und wesentlich gefährdete Arten rutschen in der Priorisierung nach unten.
Wenn wir hier über diese Themen diskutieren, würde ich mir wünschen, nicht einfach Halbwahrheiten oder gar falsche Einschätzungen von Populationen in den Raum zu stellen, wie z.B. die Einschätzung von Dominik zu Anagallis tenella. Kein Einzelner hat eine umfassende Sicht auf die gefährdeten Arten in Ba-Wü. Insofern finde ich die Behauptung von Michael, es gäbe nur einen Pflanzen-Bestand, bei dem das ASP etwas zuwege gebracht hat, selbst mit der Einschränkung, dass dies der einzig persönlich bekannte Fall ist, nicht fair. Es impliziert, dass das ASP nichts taugt, obgleich es einfach fehlendes Wissen über andere vom ASP unterstützte Populationen ist. Da würde ich mir auch vom Seiten LUBW wünschen offensiver an die Öffentlichkeit zu treten, damit erfolgreiche Maßnahmen auch bekannt werden. Wenn man die Neue Rote Liste von Baden-Württemberg aufmerksam studiert, wird man feststellen, dass es bei einigen Arten eine Anmerkung gibt, dass die Art nur aufgrund des ASP noch existiert. Man kann das natürlich als offizielle Beschönigung abtun, aber es gibt solche Fälle tatsächlich.

Noch einen schönen Rest-Sonntag
Alfred
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Anagallis
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Re: Anagallis tenella, Scutellaria minor sowie Wahlenbergia hederacea im Schwarzwald

Beitrag von Anagallis »

Moin Alfred,

Deine Erwiderung gehlt im wesentlichen am Kern der Kritik vorbei:

1. Wenn Arten so selten geworden sind, daß der Bestand akut vor dem Erlöschen steht, ist es zu spät. Artenschutz muß sehr viel früher bei den Biotopen ansetzen. Es bringt gar nichts, mit gärtnerischen Maßnahmen eine Population von zuletzt neun Androsace lactea zu erhalten, oder eine sterile Anagallis-tenella-Population. (Und diese Aussage über A. tenella, für die ich wiederholt gescholten wurde, stammt von einer Person, die diese direkt von den ASP-Verantwortlichen hat.)

2. Die Dysfunktionalitat des ASP ist durch dessen Konstruktion (und Unterfinanzierung) angelegt und nicht durch die für das ASP Tätigen verursacht.

3. Die Geheimhaltung der Daten hat gravierende Folgen: (a) Es findet keine öffentliche Kontrolle der Arbeit des ASP statt, (b) die Daten stehen nicht für ehrenamtliche Naturschutzarbeit zur Verfügung, (c) Kartierer können gefährdete Arten nicht beobachten und melden. Außerdem werden die Daten ohne Rechtsgrundlage geheim gehalten. Das Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet die Behörden zur Heruasgabe der ASP-Daten auf Anfrage (abgesehen von den enthaltenen persönlichen Informationen.)
Es impliziert, dass das ASP nichts taugt, obgleich es einfach fehlendes Wissen über andere vom ASP unterstützte Populationen ist.
Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Das fehlende Wissen über die Populationen ist der Geheimhaltung des ASP zu verdanken. Die "Halbwahrheiten" werden "in den Raum gestellt", weil das ASP bessere Informationen unterdrückt. Mit anderen Worten: "Das ASP taugt nichts".
Dominik
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Re: Anagallis tenella, Scutellaria minor sowie Wahlenbergia hederacea im Schwarzwald

Beitrag von Anagallis »

Datura hat geschrieben: So Nov 10, 2024 8:10 am Der geht es so gut wie schon lange nicht mehr. Ich betreue die aktuellen Standorte seit über 30 Jahren im Rahmen des ASP sehr intensiv, bin bei allen derzeit aktuellen Standorten (6) mindestens 3 mal pro Jahr zur Pflege bzw. deren Überwachung. Die Pflanzen an allen Standorten blühen auch. Drei Standorte sind autochthon, 3 wurden an geeigneten Stellen neu angelegt. Einer der autochthonen Standorte wurde vor 3 Jahren neu entdeckt (aus Angaben der Biotopkartierung).
Das ist ja erfreulich, aber daß solche Informationen weder veröffentlich sind noch in den Karten auftauchen ist genau das Problem der Geheimhaltung.
Dominik
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