Silene dioica × Silene latifolia subsp. alba (= Silene ×hampeana)

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BlonBoah
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Re: Silene dioica × Silene latifolia subsp. alba (= Silene ×hampeana)

Beitrag von BlonBoah »

Hallo Michael,

vielen Dank für deine sehr ausführliche Antwort!

Dann gibt also (wenn überhaupt) das Mal-Zeichen Auskunft über den Einbürgerungs-Status.
Kraichgauer hat geschrieben: Mi Nov 20, 2024 7:09 pm Zum Beispiel lassen Hand et al. in der deutschen Florenliste das Hybridzeichen vielfach weg, wo andere Autoren und Rothmaler es noch verwenden. Das führt manchmal zu ziemlicher Verwirrung (z. B. bei Salix!).
Wieso führt das zur Verwirrung, wo das Hybridzeichen doch kein fester Namensbestandteil ist?
Oder meinst du mit „Verwirrung“, dass man nicht mehr weiß, ob die Art jetzt einen hybridogenen Ursprung hat oder nicht?

Liebe Grüße
Noah
Kraichgauer
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Re: Silene dioica × Silene latifolia subsp. alba (= Silene ×hampeana)

Beitrag von Kraichgauer »

BlonBoah hat geschrieben: Mi Nov 20, 2024 8:57 pm Dann gibt also (wenn überhaupt) das Mal-Zeichen Auskunft über den Einbürgerungs-Status.
Auch das ist schlichtweg falsch, sorry. Der Hybrid-Status hat rein gar nichts mit dem Einbürgerungsstatus (z. B. eines Neophyten) zu tun. Du meintest wohl den "Stabilisierungs-Grad" (den Term gibt es offiziell nicht). Das ist aber was ganz Anderes. Wenn ein Hybrid sich von alleine vermehrt und sich im Freiland wie eine vollgültige Art verhält, die sich "sortenrein" vermehrt, dann gilt er als stabilisiert, und man kann irgendwann mal das Hybridzeichen weglassen. Viele, wenn nicht die meisten unserer Arten, haben mal als solche Hybriden angefangen (z. B. 98 % der Brombeeren), und vor allem alle Polyploide.
BlonBoah hat geschrieben: Mi Nov 20, 2024 8:57 pm Wieso führt das zur Verwirrung, wo das Hybridzeichen doch kein fester Namensbestandteil ist?
Oder meinst du mit „Verwirrung“, dass man nicht mehr weiß, ob die Art jetzt einen hybridogenen Ursprung hat oder nicht?
Vielleicht habe ich das weiter oben zu missverständlich formuliert, deswegen:
Doch, das Hybridzeichen ist (!) ein fester Namensbestandteil und darf eigentlich nicht weggelassen werden, oder die Art wird vom Hybrid-Status formal in den Status einer normalen Art versetzt, das ist so ähnlich wie eine Umkombination und muss hinten mit "pro hybr." gekennzeichnet werden (bzw. umgekehrt "pro spec."). Das ist alles reichlich kompliziert.
Was ich mit "verwirrend" meinte, ist die Tatsache, dass einige Arten in der Buttler-Liste als Arten ohne Hybridzeichen geführt werden (Beispiel: Salix rubens), während sie woanders dieses noch haben (Salix ×rubens). Das kann beim Suchen und auch ansonsten bei der Bewertung erhebliche Konsequenzen haben (Hybriden werden meist nicht in Gefährdungskategorien geführt, etc.). Salix (×)rubens ist sowieso eines der besten Beispiele für einen solchen Grenzfall: die Art ist stabilisiert, überall häufig und meist sehr viel häufiger als der eine Elter Salix fragilis. Kein Vergleich zu einer seltenen, nur temporär auftretenden Spontanhybride.
Ein weiteres Beispiel über "Hybridzeichen oder nicht", das ungemein strittig ist, sind die hybridogenen Diphasiastrum-Bärlappe (oellgaardii, issleri, zeilleri). Eigentlich sind es polyploide, sterile und nur vegetativ vermehrende F1-Hybriden, aber ab und zu scheint einer davon das zu vergessen, und es entstehen triploide Sekundärhybride... Näheres z. B. von Karsten Horn in der neuen Flora von Bayern.

Uff, jetzt hoffe ich, dass ich keinen zu großen Mist verfasst habe, auf den sich die echten Spezialisten jetzt stürzen können. Ich hab's aber bewusst versucht, allgemeinverständlich zu formulieren. Manfrid hat sicher noch Einwände.

Gruß Michael
Manfrid
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Re: Silene dioica × Silene latifolia subsp. alba (= Silene ×hampeana)

Beitrag von Manfrid »

Kraichgauer hat geschrieben: Mi Nov 20, 2024 7:09 pmDas größere namenstechnische Problem kommt dann, wenn sich fertile (oder apomiktische!) Hybriden stabilisieren und eigene Populationen aufbauen. Zu irgendeiner Zeit kann oder sollte man dann das Hybridzeichen weglassen. Leider ist die Grenze, ab wann das sinnvoll ist, nicht so genau definiert.
Kraichgauer hat geschrieben: Mi Nov 20, 2024 11:40 pmManfrid hat sicher noch Einwände.
Passt schon. Hauptsache, man bleibt sich bewusst, dass es wirklich um Definitionsfragen geht; also um menschliche Verabredungen. Dann kann man auch akzeptieren, dass einer unter seinen (entstehungsgeschichtlichen) Gesichtspunkten Hybriden als solche kennzeichnen will, ein anderer (unter dem Gesichtspunkt der Fertilität und Erbstabilität) als Arten. Wenn man, evtl. aus einer Doppelbezeichnung ("pro hybr." etc.), Informationen unter beiden Gesichtspunkten bekommt, ist das natürlich auch nett, aber es soll ja wiederum nicht verwirrend werden. Fatal wäre nur, das, was man gerade selber für wichtig und richtig hält, unter Berufung auf irgendeinen neuesten Schrei der Forschung absolut setzen zu wollen. Was hybridogen ist und was nicht, darüber lässt sich oftmals trefflich streiten, und Streit und verwirrende Umbenennungen wären damit vorprogrammiert. Außerdem unterscheidet sich der Einfluss eines Kreuzungspartners letztlich gar nicht prinzipiell von irgend einem anderen mutagenen Einfluss, und so würden kleinliche Forderungen nach Berücksichtigung aller erreichbaren Informationen in der allgemeinen Namensgebung gleichzeitig einem endlosen Splitting oder auch Lumping von ökologischen Sippen etc. Tür und Tor öffnen. Schön, wenn man bei Bedarf das Genauere in speziellen Publikationen findet. Aber bei den allgemeinen Bezeichnungen ist vor allem Kontinuität, Tradition gefragt.
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BlonBoah
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Re: Silene dioica × Silene latifolia subsp. alba (= Silene ×hampeana)

Beitrag von BlonBoah »

Hallo Manfrid und Michael,

vielen Dank für die nochmalige Aufklärung!
Kraichgauer hat geschrieben: Mi Nov 20, 2024 11:40 pm Du meintest wohl den "Stabilisierungs-Grad" (den Term gibt es offiziell nicht).
Ja genau, das meinte ich eigentlich. 😅
Kraichgauer hat geschrieben: Mi Nov 20, 2024 11:40 pm Viele, wenn nicht die meisten unserer Arten, haben mal als solche Hybriden angefangen
Manfrid hat geschrieben: Do Nov 21, 2024 9:52 am Außerdem unterscheidet sich der Einfluss eines Kreuzungspartners letztlich gar nicht prinzipiell von irgend einem anderen mutagenen Einfluss
Aus diesen Gründen dachte ich auch, dass die gültige Beschreibung eines Hybriden auf den "Stabilisierungs-Grad" hinweist, da es aus meiner Sicht nicht realistisch ist, jedem Hybriden einen eigenen Namen zu verpassen bzw. bei jeder Art mit dem Malzeichen zu kennzeichnen, ob die Art einen hybridogenen Ursprung hat.

Liebe Grüße
Noah
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Re: Silene dioica × Silene latifolia subsp. alba (= Silene ×hampeana)

Beitrag von Kraichgauer »

BlonBoah hat geschrieben: Do Nov 21, 2024 6:49 pm Aus diesen Gründen dachte ich auch, dass die gültige Beschreibung eines Hybriden auf den "Stabilisierungs-Grad" hinweist, da es aus meiner Sicht nicht realistisch ist, jedem Hybriden einen eigenen Namen zu verpassen bzw. bei jeder Art mit dem Malzeichen zu kennzeichnen, ob die Art einen hybridogenen Ursprung hat.
Nein, das ist leider nicht so. Das hängt einfach nur davon ab, ob jemand sich mal die Mühe gemacht hat, einen eigenen Namen zu kreieren. Natürlich haben die häufigen und weit verbreiteten Hybriden in der Regel eigene Epitheta (Artnamen), die seltenen nicht immer. Kann man in den Gattungs-Anhängen im Rothmaler gut verfolgen, wo die bekannten Hybriden meist einigermaßen vollständig aufgelistet sind. Auch die Buttler-Liste (https://florenliste-deutschland.de/flor ... /index.htm) ist mehr oder weniger vollständig, sie benutzt übrigens die beiden Elternnamen als Haupt-Name und den "eigenen Namen" nur in den Synonymen. In WorldPlants und FG habe ich absichtlich viele unklare und obskure alte Hybridnamen weggelassen. Viele alte Namen sind außerdem reichlich spekulativ und unbewiesen, was die Elternkombination angeht.
Außerdem sind in Mitteleuropa, wo schon im 19. Jahrhundert bis runter zu den obskursten Aberrationen die Botaniker alles benamst haben, was nicht bei Drei auf den Bäumen war, sehr viel mehr Hybriden mit eigenen Namen versehen als anderswo. Das war damals auch einfacher, weil im 19. Jahrhundert ein Hybridname nicht mit einer Beschreibung und Typus versehen werden musste, ab 1930 dagegen schon. In diese Falle bin ich gerade getappt, weil ich Elymus ×tallonii in der Flora Germanica umkombiniert habe und übersehen habe, dass der Name von 1935 und invalide ist, weil die dahinterliegende "Beschreibung" des Basionyms nicht den notwendigen Standards ab 1930 entsprach. Das hat uns dann Ralf Hand mit Freuden um die Ohren gehauen. Das korrigieren wir aber in der Kochia nächstes Jahr.

Gruß Michael
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BlonBoah
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Re: Silene dioica × Silene latifolia subsp. alba (= Silene ×hampeana)

Beitrag von BlonBoah »

Hallo Michael,
sehr interessant!
Auf jeden Fall ein Punkt in der botanischen Nomenklatur, welcher noch Verbesserungspotenzial hat, was die Definition angeht.
Kraichgauer hat geschrieben: Do Nov 21, 2024 8:28 pm In diese Falle bin ich gerade getappt, weil ich Elymus ×tallonii in der Flora Germanica umkombiniert habe und übersehen habe, dass der Name von 1935 und invalide ist, weil die dahinterliegende "Beschreibung" des Basionyms nicht den notwendigen Standards ab 1930 entsprach.
Das heißt, du musst die Art neubeschreiben (mit neuem Typus)?

Liebe Grüße
Noah
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Re: Silene dioica × Silene latifolia subsp. alba (= Silene ×hampeana)

Beitrag von Kraichgauer »

Jawohl, mit neuem Typus und ergänzter Beschreibung. Anders geht es leider nicht. Den Namen können wir aber beibehalten. Gruß Michael
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BlonBoah
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Re: Silene dioica × Silene latifolia subsp. alba (= Silene ×hampeana)

Beitrag von BlonBoah »

Kraichgauer hat geschrieben: Do Nov 21, 2024 11:07 pm Den Namen können wir aber beibehalten.
Immerhin, je weniger Konfusion, desto besser.

Liebe Grüße
Noah
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